Spirituelle Impulse

„Ich wollte etwas Neues“ – Einweihung des Meditationsraumes in Hattingen-Welper mit Bischof Overbeck am 20.04.2024

Es war ein kleines, mutmachendes Fest. Auch wenn noch nicht alles eingeräumt war, feierten 60 geladene Gäste mit dem Essener Bischof die „neue Schweigekammer des Bistums“. Darunter waren viele MitarbeiterInnen des Meditations-Programms „Leben aus der Mitte – Zen-Kontemplation“, das nun auch ein neues Zuhause hat, nachdem vor über zwei Jahren das diözesane Exerzitienhaus Kardinal-Hengsbach-Haus in Essen-Werden aus wirtschaftlichen Gründen geschlossen und veräußert wurde.
Die Feier begann mit einer Zeit der Stille, in der die Anwesenden – mit einer Impuls-Karte in der Hand und ohne Schuhe – den neuen Raum erspüren konnten.

„Ich wollte von Anfang an nicht nur beenden, sondern neu beginnen“, betonte der Bischof in seiner Ansprache und bezog sich dabei auf das bekannte Jesaja-Wort: „Denkt nicht mehr an das, was früher war; auf das, was vergangen ist, achtet nicht mehr! Siehe, nun mache ich etwas Neues….“ (43,18).  Die ganze jüdisch-christliche Heilsgeschichte sei eine Erzählung von Neuaufbrüchen, von Abraham bis hin zu den Oster-Erfahrungen der Jünger.

Dass die (mittlerweile nicht mehr ganz) neuen Akteure an ihrer neuen Wirkungsstätte willkommen sind, das machten in ihren Grußworten Vertreter von Politik sowie Orts- und Pfarrgemeinde deutlich. Dankbar für diese Vernetzung vor allem in der guten Zusammenarbeit mit dem Bistums-Team äußerte sich auch P. Paul in seiner Willkommens-Ansprache. Und er verwies auf den geistigen Vater des Programms, P. Enomiya-Lassalle, dessen Motto „Lasst uns beten für den Frieden in der Welt“ hochaktuell ist.

Das renovierte Stockwerk des Pfarrheimes von St. Joseph in Welper umfasst neben dem Meditationsraum einen Saal für Begegnungen mit geräumiger Küche. Dort werden in Zukunft das Exerzitienreferat des Bistums („team exercitia“) und „Leben aus der Mitte“ Angebote machen. Kurse mit Übernachtung finden weiterhin dezentral – wie schon in den letzten Jahren nach der Schließung von Essen-Werden – in unterschiedlichen Bildungshäusern statt.  Im ehemaligen Pfarrhaus, das an das Pfarrheim angrenzt, befindet sich das Büro von Frau Ute Schäfer. Sie erledigt kompetent auch für unser Programm die Kursplanung und -abwicklung. Die anteiligen Personalkosten werden vom Freundeskreis getragen.  

Am 5. Mai öffnen sich die Türen der neuen Räume für alle Interessierten. Herzlich willkommen!

P. Paul

Rede von Bischof Franz-Josef Oberbeck
Rede von P. Paul Rheinbay

Kreuz und Widerstand

Der preisgekrönte aktuelle Film “Zone of Interest erzählt das Leben des Lagerkommandanten Rudolf Höß und seiner Familie in unmittelbarer Nähe zum Konzentrationslager Auschwitz.
Ihr nahezu normales ziviles Leben in komfortabler Umgebung steht in erschreckendem Kontrast zu den aus dem Lager kommenden Schreien und dem Geräusch der Menschentransport-Züge, das den ganzen Film untermalt. An all das hatten die Bewohner der Villa sich offenbar gewöhnt.
Gewöhnung ist ein langsam wirkendes Gift. Es lähmt.

An Ostern sprechen wir von Aufstehen, von Auferstehung. Nicht nur von der Auferstehung des Einen, Jesus Christus. Wir sprechen von der Auferstehung aller, die sich auf seinen Weg einlassen. Wir sprechen vom Aufstehen gegen den Tod, gegen die Gewöhnung an das Unrecht, vom Widerstand gegen Gewalt, Resignation, Hunger, Verzweiflung.

Ostern: Bevor die Evangelien über die Auferstehung berichten, sprechen sie sehr ausführlich von der Passion, dem Leidensweg Jesu. Dieser scheint fast wichtiger zu sein als der Rest seines Lebens, fast wichtiger als die Berichte vom leeren Grab. Was hat der ohnmächtige, in menschlicher Sicht gescheiterte Gekreuzigte zu sagen in einer Welt, die aufgerüstet und polarisiert wird?

An einer entscheidenden Bruchstelle des Johannes-Evangeliums, dem Beginn des Passionsberichtes, sagt Jesus: „Wenn das Weizenkorn nicht stirbt, bleibt es allein. Wenn es aber stirbt, bringt es reiche Frucht.“
Dies ist, in einem Bild gesprochen, die „Sichtweise Gottes“ – so ganz anders als menschliches Empfinden. Diese Sichtweise lädt nicht nur dazu ein, solidarisch zu sein mit dem Leid, mit dem Sterben vor unserer Haustür.
Das auch.
Zuvor jedoch gilt es, das Dunkel im eigenen Inneren zuzulassen, wahrzunehmen, auszuhalten, wandeln zu lassen und damit die „Lebens-Logik Gottes“ zu übernehmen.
Nirgendwo anders als im eigenen Herzen will das Weizenkorn, Symbol des Lebens und der Nahrung, eingesenkt sein. Für Christen bedeutet dies „Nachfolge“ – ein aus der Mode gekommener Begriff, der über Jahrhunderte benutzt wurde, um auszudrücken, dass Glaube (auch) die Nähe und Freundschaft zum leidenden Jesus beinhaltet. Denn es ist seine Ohnmacht, welche an Ostern die Tür aufgestoßen hat zu einer neuen Lebens-Möglichkeit.
Das Weizenkorn im Dunkel der Erde will aufblühen und Frucht bringen im ganz konkreten Leben.

Wenn jetzt im Sesshin sich wieder Menschen zusammen finden im gemeinsamen Sitzen in Stille, dann hat dies auf den ersten Blick einmal mit dem bisher Gesagten nichts zu tun. Nur auf den ersten Blick. Denn die Brücke zwischen Meditation und aktiver Lebendigkeit ist eine Haltung innerer Entschlossenheit und Entschiedenheit. In dieser Haltung schweigend da sein, sich für eine begrenzte Zeit nicht bewegen, nicht vor mir selbst davonlaufen, mich nicht ins Tun flüchten, die Dunkelkammer der eigenen Selbsttäuschung aushalten – da fällt das Weizenkorn in die Erde und will als Frucht dazu verhelfen, innerlich frei zu werden, nicht steif und stur, eher barmherzig-transparent und klar, in einem neuen, nicht-egozentrierten Selbst-Bewusstsein.

Nach jeder Meditations-Einheit gilt es aufzustehen. Aus der „Sicht-Weise Gottes“ resultiert eine „Lebe-Weise“ für den Menschen in der Freiheit, sich nicht mehr hin und her treiben zu lassen vom Wind aller möglichen Infos, Gedanken, Meinungen, Sorgen und Ängste.
Ein Lebensstil, der „Nein“ sagt zu allem, was dem Leben entgegen steht, auch wenn dies gerade nicht opportun ist. Der nahe ist denen, die das Leben „ausgerandet“ hat.
Dazu gehört die Möglichkeit und Freiheit, dass der Mensch nicht Böses mit Bösem vergilt, dass er sich nicht gefangen nehmen lässt von der Gier nach Macht und der Spirale der Gewalt. Alle Erfahrungen in der Stille wollen im Leben realisiert sein, wollen Fleisch und Blut werden, wollen beitragen, dass Ostern für viele zu einer Hoffnung auf „Leben in Fülle“ wird. Weil er, Jesus, auferstanden ist, kann der Mensch aufstehen.

Von Herzen bin ich dankbar für diesen Weg, wünsche uns allen gesegnete und erfüllte Ostertage und freue mich, viele von Ihnen am 5. Mai beim Tag der Offenen Tür in unserem neuen Meditationszentrum in Hattingen-Welper zu sehen.

P. Paul   

Fotos Inge Hausen-Müller, aufgenommen im Berliner Holocaust-Denkmal

Das Licht, das in der Finsternis leuchtet

Es ist eine uralte Menschheitserfahrung, die in der Weih-Nacht eine neue Qualität bekommt:
“Wenn du meinst, es geht nicht mehr, dann kommt von irgendwo ein Lichtlein her.”
Oder: “Wo die Not am größten, ist die Hilfe am nächsten.”
Damit soll die Not nicht schöngeredet sein, im Gegenteil:
Erst wenn der Mensch aufhört, dem inneren Dunkel aus dem Weg zu gehen, davor zu fliehen, wenn er es sieht und es annimmt, erst dann wird er empfänglich für das „Licht, das jeden Menschen erleuchtet“.
Der Weg der Stille, das Abenteuer des Geistes, die wachsende Erfahrung des Nicht-Getrennt-Seins verbieten es, die Not und das Dunkel in einem anonymen „Draußen“ zu sehen.
Dieses Draußen gibt es nicht!
Es ist meine Wirklichkeit! Alles!
Auch der Hunger des Menschen am anderen Ende der Welt. Auch der Hass, der sich über Jahrzehnte angestaut hat und sich jetzt in unmenschlicher Gewalt äußert.
Meine Wirklichkeit – die darin liegende Überforderung – ist eine Herausforderung an mein Vertrauen, dass menschlich Unmögliches geschieht:

Und das ist die Weih-Nacht, die Menschwerdung Gottes in unserem Fleisch, unserer Ohnmacht, unseren Konflikten, unserer Unvollkommenheit, unserer Sterblichkeit, unserem vorübergehenden Leben: menschlich unmöglich.
Und doch ist es geschehen!
Und doch geschieht es im Menschen!
Oft in Menschen am Rande ohne Wertschätzung, wie damals in den Hirten. Oft an Orten außerhalb der großen öffentlichen Aufmerksamkeit, wie damals in Betlehem. Oft in Situationen, in denen ein Mensch nicht mehr weiter weiß, wo bisherige Sicherheiten wegbrechen und Platz dafür machen, das Neue mit leeren Händen zu empfangen. Und in jedem Menschen, der dies in sich geschehen lässt, der das über 2000 Jahr alte Hoffnungslicht weiterträgt, ist ein Neu-Anfang geschenkt.

Ein Aspekt dieses Beginns besteht wohl in einer größeren Zuversicht, einem tieferen Glauben in die eigene Wunschkraft. Gerade da, wo auf direktem Wege nichts zu „machen“ ist, wo es kein „recht und unrecht“, „richtig und falsch“ gibt, da ist diese „Power“ gefragt. Sie kann sich ausdrücken in einem Gebet, das nur wenige oder gar keine Worte beinhaltet, das vielleicht eher wie ein aus der Tiefe kommender Schrei oder Seufzer ist. Oder auch im Aushalten und Mittragen der in der Stille als „Leere“ empfundenen Sehnsuchts-Realität in uns.

Machen wir in diesen Tagen unsere Wunschkraft einander zum Geschenk. Dann wird der „Pegel des Vertrauens“ steigen und Herzen weit werden lassen.
Zu allen Zeiten hat das Kind in der Krippe Menschen um sich versammelt, die aus Fremden zu Nächsten wurden. Hat Grenzen überwunden und Wunden geheilt, die Nationen, Weltanschauungen, Religionen, persönliche und familiäre Geschichte verursacht hatten. Mehr denn je hat unsere Gegenwart es nötig, dafür berührt und geöffnet zu werden.

Jochen Klepper dichtete 1938:
„Noch manche Nacht wird fallen auf Menschenleid und -schuld.
Doch wandert nun mit allen der Stern der Gotteshuld.
Beglänzt von seinem Lichte, hält euch kein Dunkel mehr,
von Gottes Angesichte kam euch die Rettung her.“

Herzlich wünsche ich Ihnen gesegnete und erfüllte Weihnachtstage und einen zuversichtlichen Beginn 2024.

P. Paul

Bilder: Inge Hausen-Müller

Leben aus der Mitte im Advent 2023

Es geht weiter: eine neue Zen-Lehrerin:Dieses Mal möchte ich einige Ereignisse mit Ihnen teilen.Treffen der MitarbeiterInnen: Am Samstag, dem 25. November, hat sich in Vallendar der Kreis der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter unseres Programms getroffen. Anliegen der regelmäßig stattfindenden Begegnung war unser Selbstverständnis, der Kern von Zen-Kontemplation, der Bindestrich zwischen der christlichen und der zen-buddhistischen geistlichen Tradition. Die Gespräche drehten sich darum, wie dieses große Anliegen von P. Johannes in die... Artikel ansehen

Wie auch wir vergeben

An einem der Sonntage im September hörte ich im Gottesdienst die Rede Jesu davon, dass das Reich Gottes zu vergleichen sei mit einem Menschen, der über das gesollte und zumutbare Maß hinaus zur Vergebung bereit ist – und zwar nicht wie in der Frage als Höchstmaß angenommen sieben Mal,.sondern siebenundsiebzig Mal. Diese Worte des Sonntags-Evangeliums, in denen es wohl nicht um Zahlen, sondern um menschliche Haltung geht, wurden an diesem... Artikel ansehen