Interreligiöser Dialog

Madonna im Vorraum des Zendo

Madonna im Vorraum des Zendo

“Sie haben einen Körper, also können sie auch zur Erleuchtung kommen.” (Harada-Roshi)

Der Leser dieser Internetseite möge bitte nicht erwarten, dass ich ein Menschheitsproblem, mit dem die größten Geister seit Jahrtausenden ringen, an dieser Stelle klipp und klar auf den Punkt bringe.

Der interreligiöse Dialog bleibt ein sperriges Thema, in dem wir uns mit Annäherungen abfinden müssen. Jeder harmonisie- rende Lösungsversuch kann mit dem Paukenschlag eines Aber sein frustrierendes Ende finden. So ist das auf der Ebene der Lehre: dia-logisch. Lässt sich hinter dem dia- eine andere Wortbildung finden?: dia-cordisch (cor = Herz). Wenn die Lehre nicht im Kopf bleibt, sondern zu Herzen geht, dann findet man sich in einer anderen emotionalen Temperatur, in der man sich in einer schönen menschlichen und herzlichen Begegnung und inspirierenden Gemeinsamkeit erlebt. Diese Weise der Begeg- nung ergibt sich aus der religiösen Erfahrung, die den andern nicht außen vor lässt, in der man ihn von innen her sieht, in denen Worte und Definitionen ihre Mächtigkeit verlieren. Die Unterschiede werden gemildert und zu einer Herausforderung, im Eigenen noch tiefer zu gehen, weil mir auch der andere zum Zeugen einer Wahrheit wird, deren Erkenntnis und Erfahrung für mich noch aussteht. Einen erfahrenen Buddhisten erlebe ich in einer Strahlung, in der ich mich beschenkt fühle und neue Lichter aufgehen. Ein Erfahrener, ein mit seinem Wesen Geeinter, ist ein Schenkender, er ist eine Strömung und, wie gesagt, eine Strahlung. Das habe ich erlebt, als ein buddhistischer Roshi, mit dem ich während eines Sesshins kein Wort und kaum einen Blick gewechselt hatte, auf mich zukam und mich umarmte.

Schlagholz für den traditionellen Mahnruf vor dem Zendo

Schlagholz für den traditionellen Mahnruf vor dem Zendo

Die Wahrheit, die einen andern erleuchtet, ist auch in mir. Sie in mir wirken zu lassen, führt mich in die Weite und in die Tiefe. Da es keine Wahrheit gibt, die wirklich Wahrheit ist, die nicht auch in mir erkannt und erfahren werden will, ist es unbedingt wichtig, nicht nur von einem inter- sondern auch von einem intra- religiösen Dialog zu sprechen. Ohne seine dia-logische Qualität zu verlieren, öffnet er sich einer unendlich wichtigen Dimension, die sich mit der Wortbildung dia-cordisch erahnen lässt.

Mit diesem Hinweis erschöpfen sich gewiss nicht die Notwendigkeiten im interreligiösen Dialog, die Benedikt der XVI. fordert: “In unserer unruhigen Zeit… muss der Dialog zwischen den Kulturen und Religionen zunehmend als eine heilige Pflicht gesehen werden, die allen auferlegt ist, die sich für den Aufbau einer menschenwürdigen Welt einsetzen.” (30.10.2008)

Eine komplementäre und auch notwendige Weise, meine ich, kann man in einer Wortbildung wie dia-cordisch schon sehen.

P. Johannes Kopp SAC