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Nicht nur Glitzer und mehr oder weniger gehobene Stimmung

weihnacht4Wäre es nicht schon, es würde ein Fest gefunden werden für Menschen in Not, einfach für Menschen, die nicht wissen, wo sie übernachten und wie sie zum Nötigsten für den nächsten Tag kommen?
Dachte Jesus vielleicht an die Not seiner eigenen Mutter, als er sagte: “Weh den Frauen, die in jenen Tagen schwanger sind oder ein Kind stillen?” Er wusste doch, dass er selbst im Weh der wunderbare Trost sein würde.
Hatte der Engel auf Bethlehems Fluren nicht leicht reden, da er angesichts der konkreten Situation im Stall sagte: “Seht, ich verkünde euch eine große Freude”?

In größter Not der tiefste Trost? Wie geht das? Das ist die weihnachtliche Frage – und, wie das weitergeht bis Ostern, das eigentliche Weltwunder.

Ich weiß nicht, in welcher Verfassung Sie eben auf diese Seite gekommen sind. Ich denke: In einer menschlichen. Und wenn Sie nicht gerade eine Glücksphase erleben, dann fühlen Sie die Dunkelstellen in Ihrer Situation, die sich mit Rat und Tat nicht aufhellen lassen. Da sind die Stellen, in denen Sie Ihre Nacht erleben.

Soll es nicht gerade diese Nacht sein, in der im Anschluss an ein anderes Stromnetz ein Licht, der “Glanz des Herrn”, aufstrahlt? Dann sind die Worte des Engels nicht in einem Nebenschauplatz gesprochen, um von unserer Not abzulenken. Sie sind eingestrahlt in Nacht und Fragen der konkreten Situation. So ist auch nicht die Rede von einer Licht-Nacht, nicht von Weihnachtsmärkten, in denen das gemeinte Licht der Weihnacht vermarktet und verdunkelt ist. Es ist die Rede von Weih-Nacht, in der die Nacht von einem alles überstrahlenden Lichtquell geweiht und erhellt wird.

Und wie bringen wir dieses Licht zum Leuchten, dass es nicht nur für uns selbst, sondern auch zum Licht füreinander wird?

weihnacht2Wenn das möglich ist, dann geht es nicht um Glitzer und irgendwie um mehr oder weniger gehobene Stimmung. Wer es zum Leuchten bringt, wird selbst zu einem Licht. Die Formel für die Freilegung dieses Lichtquells hat uns Maria erschlossen mit ihrem Wort: “Mir geschehe.”

In den Tagen zu Weihnacht darf ich in Vallendar wieder ein Sesshin für Zen-Kontemplation begleiten. Das Gute, das hier geschieht, kennt keine Wände.
Wir vertrauen – wohlbegründet, dass wir uns in diesen Tagen in eine Gütergemeinschaft des Friedens und der Zuversicht einlassen. Friede und Zuversicht vermehren sich im Gemeinsamen.

Wer Ja sagt zu seiner Situation, wer das ihm Gegebene annimmt im Durchblick auf das Licht, das sich von Not und Tod nicht verdunkeln lässt, sondern eben darin einen unzerstörbaren Lichtquell aufstrahlen lässt, der vermehrt nicht nur den Frieden für sich. Das Wort Mariens “Mir geschehe”, ist ein immer noch nicht erschöpfter Trost und Lichtquell für die Menschheit.
Wer sich in dieses “Mir geschehe” einklickt – so unvollkommen, wie wir es eben auch in diesem Sesshin können, sagt es nicht nur einfach so dahin, er sagt es, wie wir alle es sagen möchten und von Herzen wünschen: Frohe Weihnacht!

P. Johannes

Fotos: Inge Hausen-Müller

Fotos: Inge Hausen-Müller

Advent – konkret

adv1_01Das ist doch unglaublich – aber es passt: “Kommen Sie gut nach Hause” – dieser Wunsch kam mir nach dem letzten Meditationsabend als ein Wort zum Advent.

Wo anders kommen wir gut an als bei uns selbst? Wen erwarten wir?
“Seele, suche mich in dir, Seele, suche dich in mir”, lesen wir in einem Gedicht der großen hl. Teresia.

Wen erwarten wir? Wir erwarten den, der schon da ist: “…suche mich in dir.” Auf dieses Wort hin möchte ich auch ein wenig unter die Dichter gehen und sagen: “Nur Mut, meine Seele, vertraue, vertraue – öffne und löse dich im Vertrauen und lass dich ein, lass dich sein in Dir selbst.”

Das ist die Ortsbestimmung nach dem modernsten und ältesten Navigationsgerät, das aber – wie das beste Gerät – nur eingeschaltet den Weg anzeigt. Einschalten – sich einschalten, ist der kürzeste und genaueste Impuls für den Weg zu sich selbst.

Selbstfindung – Gottfindung: Wie passt das? Gott und Ich? Wie passt das, was man so hört: Der Wunderbare – Erhabene – Vollkommene – Unendliche – usw. Wie passt das mit mir?
Das müsste doch wunderbar zugehen, wenn das passen sollte.

Das ist das Problem, dass wir uns das Wunderbare nicht denken können und dass wir uns zu sehr auf das Denkbare verlassen. Inzwischen merken es alle: Im Denkbaren wird es eng und enger. Dass der Raum des Denkbaren zu einem Angstraum geworden ist, sagen die täglichen Nachrichten.

Kein Mensch in unserer Zeit ist genötigt, sich in den Raum des Denkbaren einzuengen, denn das Denk- bare ist nicht alles. Wer will, kann sich das sagen lassen. Die Naturwissenschaft liefert zwar keinen Gottesbeweis, aber sie kann sagen, dass wir im Denkbaren nur einen sehr geringen Bereich der Wirklichkeit erkennen. Ich war doch sehr erstaunt, zu lesen, wie wir für unseren Weg von einer Autorität der Naturwissenschaft, Hans Peter Dürr, eine solche Bestärkung finden:

“Es gibt ein Wissen um prinzipielles Unwissen. Eine solche Beschränkung sollte jedoch nicht negativ gewertet werden, denn Wissen ist nicht alles. Im Gegenteil, die prinzipiellen Grenzen des Wissens öffnen in unserer vorgestellten Wirklichkeit wieder Räume, die nur durch Glauben zugänglich sind, ein Glauben, der mehr bedeutet als ein Noch-Nicht-Wissen.”

Es könnte doch etwas zu adventlicher Bereitung dienen, wenn wir uns auch von der Wissenschaft sagen lassen, dass wir in einer Wirklichkeit leben, die wir uns nicht denken können, in der wir aber im Blick auf das innere – eingeschaltete – Navigationsgerät auf dem Wege sind zu uns selbst, wo wir immer schon in unendlicher Liebe erwartet und uns mehr und mehr motiviert und angezogen fühlen.

adv3_01Das ist es eben: Das ist Advent, das ist Weihnacht, dass das passt: Das Wunder des Advents, das Wunder der Weihnacht. Das ist die Botschaft, die wir hören und annehmen sollen und staunen: Was überhaupt nicht passt, wird wunderbar passend. Dies mit Blick auf das Navigationsgerät, so, wie gesagt ist: “Das Wesentliche ist für die Augen unsichtbar.” (Saint-Exupery)

Mit diesem Blick – im Zen spricht man vomWesensauge – kommst Du aus dem Staunen nicht heraus und traust Dich, wird Dein Vertrauen immer größer: Wie wunderbar das passt!

Da die rechten Worte finden! In der Suche nach den rechten Worten sagte der hl. Vinzenz Pallotti: “Je mehr ich Dich verkannte, undankbar war und voll Schuld, desto größeres Vertrauen habe ich.”

Mir scheint, wir können Advent und Weihnacht neue Namen geben:
Fest des Vertrauens –
Fest der Ankunft bei mir selbst

Bereiten wir uns wie die klugen Jungfrauen, die das bei sich hatten, was verbrannt werden will und was sie nicht – wie die törichten – verdrängen und vergessen, sondern in ihrer Schauseite vor sich hingehalten haben: “Je mehr ich dich verkannte, undankbar war und voll Schuld” – desto mehr Brennstoff nehme ich in die Hände und entzünde ihn im Feuer des Vertrauens, das in der Liebe immer grösser wird und immer heller den Weg erleuchtet zu mir selbst. “Wer begreift, dass er der Geliebte Gottes ist, der braucht nicht mehr durch die Gegend zu laufen und um Anerkennung zu betteln.” (Henry J.M. Nouwen)

Längst ging einer voraus und hat alles Unpassende schon passend gemacht: Dass wir das doch erkennen und annehmen, was der immer schon Angekommene in unendlicher Liebe uns geben will.

So mein Adventsgruß: “Kommen Sie gut nach Hause!”

P. Johannes

Fotos: Inge Hausen-Müller, aufgenommen 2004 im Exerzitienhaus der Clemensschwestern, Kevelaer

Unfehlbar

Sind Sie unfehlbar? So zu fragen, ist schon fast eine Beleidigung. Wer würde sich schon hinstellen und sagen: Ich bin unfehlbar?
Und doch! In einer Hinsicht sind wir unfehlbar.

Bevor ich zur Sache komme, erlauben Sie mir die Frage: Haben Sie Schmerzen beim Atmen? Nein? Aber Sie wissen, dass im Moment Millionen Menschen das Atmen schmerzt und dass sie in Hoffnung auf Heilung ihr Vermögen geben. Wenn Sie im Moment schmerzlos atmen, kann man doch wohl sagen: Nicht selbstverständlich und Grund zum Dank.

Da sind wir auch schon bei dem, in dem wir unfehlbar sind: Wir haben – immer mehr als uns bewusst sein kann – Grund zum Dank.

Foto: Rainer Schmidt

Foto: Rainer Schmidt

Indem wir den Aktionskreis der Dankbarkeit erweitern und begreifen: Nichts ist selbstverständlich, gehen wir auch aufmerksamer durch den Tag. Da wir Internet zur Verfügung haben, gehören wir zur Wohlstands- gesellschaft und haben selbstverständlich schon gefrühstückt. Millionen Menschen aber wünschen im Moment nichts mehr als eine Schale Reis oder ein Stück Brot. Uns ist der Tisch gedeckt.

Im scheinbar Selbstverständlichen sind wir allerdings oft freudlose Langweiler und dabei auch unzufrieden, lassen manche Freundlichkeit unerwidert und versäumen nicht selten, Freude zu machen, wozu wir leicht Gelegenheit hätten.

Zu fragen, was Grund zum Danken sein könnte, wäre schon ein Tagesprogramm. Wenn wir so allen Ernstes fragen, finden wir manchen Grund zum Dank in alltäglichen Dingen.

“Die Dinge sind konserviert in tödlicher Selbstverständlichkeit”, las ich bei Reinhold Schneider. Je mehr wir danken, desto mehr lösen wir uns aus dem Kokon der tödlichen Selbstverständlichkeit und werden hellsichtig für die Dinge um uns und: In uns!

Wäre es nicht reizvoll – vielleicht für einen Monat – sich mit erhöhter Aufmerksamkeit zu üben im Danken? So können wir der göttlichen Pädagogik auf die Schliche kommen. Wir sehen rückblickend, dass vieles, das uns den Weg verstellte, zu einer Stufe wurde, die wir zur besseren Einsicht überschreiten mussten.

Foto: Inge Hausen-Müller

Foto: Inge Hausen-Müller

Es gibt einen Ego-Dank und einen Wesens-Dank.
Im Ego-Dank danken wir für das, was uns passt. Im Wesens-Dank danken wir auch für Dinge, die wir nicht verstehen, und sind begnadet zur Annahme des scheinbar Unannehmbaren. “Käme der Mensch nicht ohnedies in Situationen, die ihm unannehmbar erscheinen, man müsste sie ihm künstlich stellen, denn eben diese Annahme gibt ihm die Chance für den Durchbruch zum Wesen”, sagte mein verehrter Lehrer, Graf Dürckheim, nachdem er kurz zuvor seine Blindheit erleben musste. Kraft eigener Erfahrung konnte er vielen Menschen in Lebenskrisen zur Annahme von Misserfolg und Krankheit verhelfen. Den größten Heilerfolg sah er bei denen, die in der Annahme des scheinbar Unannehmbaren einen Grund zu tiefster Dankbarkeit fanden.

In der Dankbarkeit findet ein Mensch auch oder gerade in Krankheit zu seiner Wesens-Gesundheit und zu einer Strahlung, wie ich sie bei Pater Lassalle in seiner Krankheit und auch in seinem Sterben wahrnehmen konnte.

Dankbarkeit ist wesensgemäßer Gebrauch der Freiheit, Höchstform der Annahme, eine geistige Großmacht, die jede Situation verwandelt. So sagen und bezeugen es die Erfahrenen.

Empfehlung: Augen zu und blindlings danken. Mehrmals täglich. Medizin mit heilenden Nebenwirkungen, unfehlbar.

Foto: Rainer Schmidt

Foto: Rainer Schmidt

Im Monat November zeigt die Natur in Farbenpracht und mit jedem Blatt, das sich so leicht vom Baume löst, für unseren Weg und unser Selbstverständnis auch die letzte Stufe. Und wenn wir dann im Rückblick und Vorblick für alles danken, dann erkennen wir, dass wir zwar in vielem gefehlt und geirrt haben, aber in einem Unfehlbares tun und sehen konnten:
Im Danken.

Danke! Wofür? Danken braucht kein Wofür. Danken selbst ist Grund zum Danken

Danke!

P. Johannes

Ankunft im Aufbruch

Die Ruhrtriennale 2009-2011 unter künstlerischer Leitung von Willy Decker endete am 9. Oktober mit einem stillen Paukenschlag der Zerstörung. In vollbesetzter Jahrhunderthalle in Bochum entstand zu Beginn des Geschehens eine wortlos – nur im Blick auf die Mitte des Raumes – eingeleitete Stille. In mildem Licht erstrahlte das eben vollendete Mandala, in Form und Farbe unbeschreiblicher Schönheit. In quadrati- scher Fünfmeterfläche hatten fünf buddhistische Mönche aus Bhutan in meditativer Versenkung... Artikel ansehen

Leben im steten Beginn

Meine vorwiegende Kurstätigkeit in Leben aus der Mitte schließt nicht aus, dass ich bisweilen auch von katholischen Priestern für Tagungen oder Exerzitien gefragt bin. In einem solchen, eben beendeten Kurs kamen wir zu einer Ergriffenheit – nicht geringer als in einem Kurs der Zen-Kontemplation. Das Thema war eine Gebetsintention: “Dass wir in der Feier der Eucharistie eine Orientierung  erlangen, wonach alle unsere Handlungen Beginn und Erfüllung in Christus finden.” Ich gestehe,... Artikel ansehen