Spirituelle Impulse

Weih-Nacht = Heil-Nacht

Verwundungen gehören zum Leben. Sie werden manchmal absichtlich zugefügt, oft aber auch unabsichtlich. Viele heilen ganz schnell wieder, andere bleiben als Narben, manchmal sichtbar, manchmal verborgen. Es gibt Verletzungen, die wir ererbt haben von unseren Vorfahren, ungelöste Fragen, Beziehungs-Knoten. An einigen tragen wir ein Leben lang.

Der Weg in die Stille kann Verwundungen zu Tage fördern, sei es in Erinnerungen, sei es in körperlich spürbaren Schmerzen. Im ruhigen Da-Sein will das Verdrängen oder Weglaufen ein Ende nehmen. Und im atmenden Vertrauen kann aus der Verletzung etwas Neues entstehen. Manchmal braucht es nur den Impuls des „Gut-sein-lassens“, manchmal braucht es neben dem stillen Hin-Halten mehr: ein Gespräch, einen Besuch, ein offenes Wort …

Weihnachten ist Zeit, heil zu werden. Aus der Krippe schaut uns im neuen Leben des Kindes unser Wesen an, ganz heil, unverletzt. Wir sind eingeladen, näher zu treten mit all den Scherben, mit allem Zerbrochenen. Vielleicht ist es erst einmal gar nicht so wichtig, wer da etwas „kaputt“ gemacht hat. Nicht selten bin ich ja an der eigenen Verletzung nicht „unschuldig“, mache ich mir das „Nicht genug“, das „Ungenügend“ des inneren Antreibers zu eigen, fälle ich das schneidende Urteil eines vorgestellten Ich-Ideals gegen mich selbst.
Wichtiger als die Schuldfrage ist, dass die Heil-Kraft unseres Innersten zugelassen wird, auf dass sie wirken kann. Damit soll keineswegs das Verhältnis von Täter und Opfer umgekehrt werden. Doch dafür, dass die Wunde in mir vernarbt, dass der gestern berechtigte Ärger und Zorn mich heute nicht mehr belastet, dass ich mir selbst genügen und mich lieben lassen kann, für all das bin ich selbst zuständig und dafür gehe ich in das tägliche Heil-Bad der Stille, des Eins-Werdens, der Versöhnung.

Mensch-Werdung ist Gabe und Aufgabe, Vertrauen und Geschenk.
In aller Geschäftigkeit, die mit den weihnachtlichen Tagen immer verbunden ist, betont die geweihte Nacht das Unvorhergesehene, nicht für möglich Gehaltene, das Licht im Dunkeln, die Freude, die einfach so hervorbricht, die unverdiente Vergebung. In einer Gesellschaft, in der wir mehr und mehr verletzten Menschen (Heimat-Verlust, Beziehungs-Leid, Krieg…) begegnen, ist es das größte Geschenk, das wir einander machen können: die Hoffnung auf Heil-Werden und den Weg dahin zu teilen – nicht in erster Linie durch Worte, sondern von Herz zu Herz. Als Menschen, die sich selbst ver-geben können und dann auch anderen vergeben, die sich befreit und erlöst glauben aus der Sklaverei des Machen-Müssens und um die segnende Kraft des Nicht-Machens wissen.

Das zu Ende gehende Jahr ist gezeichnet durch viele Umbrüche, vielleicht auch in Ihrem persönlichen Lebenskontext. Möge in uns die die Geburt des unendlich liebenden Gottes das Gebrochene verbinden, einen und heilen!

Dankbar, Gassho

P. Paul

Fotos: speysight.de

Fünf neue Assistierende Lehrerinnen und Lehrer in LEBEN AUS DER MITTE

Wir freuen uns, dass fünf „altbewährte“ TeilnehmerInnen, die durch ihre Mitarbeit ein hohes Maß an Identifikation mit unserem Programm zeigen und über viele Jahre hinweg den Koan-Weg durchlaufen haben, nun eine Lehrbefähigung erhalten konnten:

Von links nach rechts:
Ulrike Rögner-Fahrendorf (Bochum) mit dem Namen „Wolke der leuchtenden Dunkelheit“
Prof. Dr. Johannes Michalak (Bochum) mit dem Namen „Wolke der grenzenlosen Gegenwart“
Dr. Astrid Heidemann (Freiburg / Wuppertal) mit dem Namen „Wolke des großen Weges“
Petra Schmitz-Arenst (Düsseldorf) mit dem Namen „Wolke des Gebets“
Stephanie Hahn (Essen) mit dem Namen „Wolke der großen Hoffnung“

Damit berücksichtigen wir auch die wachsende Bedeutung unserer Regionalgruppen. An mehr als 15 Orten über die Grenzen des Bistums und des Ruhrgebiets hinaus kommen jede Woche Menschen zur Meditation zusammen. Es wird eine Aufgabe der neu Ernannten sein, sie auf ihrem Weg in die Stille zu begleiten. Die Ernennung erfolgte in Übereinstimmung mit den von P. Johannes Kopp ernannten Lehrern. Diese werden die Ernannten beim Hineinwachsen in die neue Aufgabe unterstützen.

Das Fest der Autorisierung hatte seinen Platz beim Treffen der MitarbeiterInnen am 1. November, dem Fest Allerheiligen. Dabei war Zeit und Raum für viele persönliche Erzählungen von dem, was den Einzelnen auf ihrem Weg ins und mit dem Programm wesentlich geworden war, wie sie in sich Zen und Kontemplation verbinden und damit ZeugInnen des Weges sind. Nachmittags schloss sich eine Begegnung mit dem Vorstand des Freundeskreises an sowie mit Klaus Kleffner vom team exercitia. Neben dem Kennenlernen ging es vor allem darum, sich die gemeinsamen Anliegen ins Bewusstsein zu rufen, die LEBEN AUS DER MITTE mit den geistlichen Angeboten des Bistums Essen verbindet. Wir sind dankbar für die gute Zusammenarbeit, die sich ja bereits beim Suchen nach einem neuen Raum der Stille intensiviert hatte.

Auf dem Kalender der kommenden Wochen stehen neben der Mitgliederversammlung des Freundeskreises auch wieder Sesshins in Gerleve, Mariendonk und Essen, ein Einführungskurs (zweitägiger Zazenkai mit Hinführung in die Stille) sowie die besonderen Kurse zum 8. Dezember sowie zum Jahresbeschluss/Neujahr.

Herzliche Einladung!
P. Paul

Vor 60 Jahren in Berlin …

… gab es eine großes Aufsehen erregende Rede von Martin Luther King, der auf Einladung des damaligen Bürgermeisters Willy Brandt in die Stadt gekommen war. Sowohl im Westen wie auch im davon getrennten Ostteil Berlins predigte er gegen Rassentrennung und Mauern, gegen politische Ideologien, die Menschen einteilen in mehr- und minderwertig. Bei seinem überraschenden Aufenthalt in Ost-Berlin – die amerikanische Besatzung wollte eigentlich seinen Besuch dort verhindern und hatte ihm den Reisepass abgenommen – rief er Tausenden von Menschen sein berühmtes „We will overcome“ zu:

Hier sind von beiden Seiten der Mauer Gottes Kinder. Und keine durch Menschenhand gemachte Grenze kann diese Tatsache auslöschen. Ohne Rücksicht auf die Schranke der Rasse, des Bekenntnisses, der Ideologie oder Nationalität gibt es eine untrennbare Bestimmung: Es gibt eine gemeinsame Menschlichkeit, die uns für die Leiden untereinander empfindlich macht. In diesem Glauben können wir aus dem Berg der Verzweiflung einen Stein der Hoffnung schlagen. In diesem Glauben werden wir miteinander arbeiten, miteinander beten, miteinander kämpfen, miteinander leiden, miteinander für die Freiheit aufstehen in der Gewissheit, dass wir eines Tages frei sein werden. … Halleluja!“ (Quelle)

Der evangelische Pastor und Bürgerrechtler hatte nach vielen Rückschlägen landesweiten Erfolg:
1964 wurde die Rassentrennung in den USA gesetzlich aufgehoben.

Heute sind diese Anliegen der einen geeinten Menschheit und des gewaltfreien Miteinanders wieder erschreckend aktuell. Sie mischen sich jedoch leider oft mit der Hoffnungslosigkeit, „doch nichts ändern zu können“. Die Folge davon ist, dass wieder gesetzt wird auf eine illusorische „splendid isolation“, auf Mauern, auf Trennung, auf Gewalt und Unterdrückung.
Ist es wirklich unser Schicksal, zurückzukehren in eine Welt unversöhnlicher Gegensätze, in eine Welt voll von kollektivem Egoismus? Was hat Menschen wie Martin Luther King – und die Geschichte kennt viele von ihnen – befähigt, sich für den unendlichen Wert und die Würde jeden Lebens und jedes Menschen einzusetzen, ihr Leben dafür hinzugeben? Was hat sie so entschieden und mutig werden lassen?

Innere Entschiedenheit und Mut gehören zu den Früchten der Meditation. Jedoch: Der Weg der Stille ist kein Hobby, das ich neben anderen und nebenbei, wenn ich Zeit habe, ausübe. Es ist vielmehr wie ein Stempel, der dem ganzen Leben eingeprägt ist:
Ich mache nicht Meditation, ich bin ein Meditierender – zu jeder Zeit, bei jedwedem Tun. Ich bin es – natürlich mit allen Unvollkommenheiten, die ich in mir trage. Ich bin es – allen Ernstes.
Das scheint mir die Bedingung dafür zu sein, dass Zen-Kontemplation im Herzen eine Hoffnung freilegt, die stärker ist als Selbst-Zweifel, Mutlosigkeit und Schwarzseherei. Diese Hoffnung wird mich zu einem Handeln bewegen, das aus dem Einssein, der inneren Stimmigkeit kommt und in diese Einheit hineinführt.

P. Johannes sprach oft von der „Freilegung der geistigen Kernenergie“, die in ihrer positiven, menschlichen, herzlichen Kraft die Kehrseite der zerstörerischen Atomwaffen-Gewalt entspreche.
Martin Luther King ist einer der Zeugen dafür, dass es hier nicht um schöne, aber wirklichkeitsfremde Gedanken, sondern, dass es um Realität geht. Auch ein P. Lassalle und die Weltfriedenskirche in Hiroshima stehen dafür. Jeder, der sich entschieden auf den Weg macht, wird diese Wahrheit am eigenen Leib erfahren und ist berufen, andere darin zu bestärken.

Uns gegenseitig bestärken: Dazu soll auch der Begegnungs-Tag unseres Freundeskreises dienen; eine kostbare Möglichkeit, uns nicht nur schweigend, sondern auch mit Worten zu ermutigen; füreinander Zeugnis abzulegen von dem Schatz, den wir (immer anfanghaft, im Beginn!) gefunden haben. So freue ich mich auf Sie (gerne in Begleitung!), am Sonntag, 29. September, um 10.00 Uhr, in unseren neuen Räumlichkeiten in Hattingen! Infos zu Tagesprogramm und Anmeldung hier.

P. Paul

Fotos: Inge Hausen-Müller

Pfingsten – Fest der Begegnung

Es ist der Atem-Geist, der verbindet – und das ereignete sich in diesem Jahr auf ganz besondere Weise: Parallel zum Sesshin in Vallendar machte sich eine Gruppe aus dem Kreis der Zen-LehrerInnen, der Assistentinnen und der Leitung des Freundeskreises auf den Weg nach Rom. Dort nahmen wir am jährlichen Pfingst-Sesshin der Gruppe unseres Programms dort teil. Gleichzeitig war dies eine kostbare Gelegenheit, untereinander ins Gespräch zu kommen – am Ende... Artikel ansehen

„Ich wollte etwas Neues“ – Einweihung des Meditationsraumes in Hattingen-Welper mit Bischof Overbeck am 20.04.2024

Es war ein kleines, mutmachendes Fest. Auch wenn noch nicht alles eingeräumt war, feierten 60 geladene Gäste mit dem Essener Bischof die „neue Schweigekammer des Bistums“. Darunter waren viele MitarbeiterInnen des Meditations-Programms „Leben aus der Mitte – Zen-Kontemplation“, das nun auch ein neues Zuhause hat, nachdem vor über zwei Jahren das diözesane Exerzitienhaus Kardinal-Hengsbach-Haus in Essen-Werden aus wirtschaftlichen Gründen geschlossen und veräußert wurde. Die Feier begann mit einer Zeit der... Artikel ansehen