Spirituelle Impulse

Ostern: Ihr seid ja gestorben…

….und euer neues Leben ist mit Christus verborgen in Gott.

Was ist gemeint, wenn sich dieser biblische Text aus dem Brief an die Gemeinde in Kolossä (Kleinasien / Phrygien) offensichtlich an Menschen richtet, die sich ihres Lebens freuen?

„Sterben“ soll hier an die Taufe erinnern, deren Ritus des Ein- und Auftauchens ein sprechendes Symbol für menschliche Transformation, für Neu-Werden ist. Die Taufe wurde am Anfang der Christenheit an Ostern gespendet. Dies war der einzige jährliche Tauf-Termin, auf den hin sich Taufbewerber („Katechumenen“) über eine lange Zeit vorbereiteten. Taufe – nicht nur einmal im Leben, sondern als Haltung immer wieder, täglich neu – ist also verbunden mit Ostern. Wir sind, heißt es im Römerbrief, auf seinen – Christi – Tod getauft. „Sein Tod soll mich prägen“, sagt Paulus im Brief an die Philipper. Im „Untergehen“ ist die Tür geöffnet, Christus „gleichförmig“ zu werden, mit ihm das Geheimnis des unendlichen Gottes zu „schmecken“.

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Für meditierende Christen kann dies eine unüberbietbare Motivation sein, sich „gründlich“ zu setzen, ganz einzutauchen in die Stille, die Angst vor dem sprachlosen Dunkel zu überwinden, das vorgestellte Ich aufzugeben. Gerade hier, davon zeugen viele Erfahrene, gilt: Wer gibt, empfängt. Wer sich selbst gibt, empfängt über alle Maße, jenseits alles Messbaren.

Unfassbar – und doch so konkret!

Wie lässt sich diese lichtvolle Weise des Auftauchens, die helle Seite von Ostern erklären? Hier sind alle spirituellen Traditionen zurückhaltend, vorsichtig, zögernd. Mit gutem Grund, denn das Neue lässt sich nicht in Worten eingrenzen. So heißt es schon in der frühesten Oster-Erzählung, dass die Frauen vom leeren Grab wegliefen und niemand etwas davon erzählten. „Schrecken und Außer-sich-Sein hatte sie ergriffen“ angesichts dessen, was sie erleben und erfahren durften.

Außer sich, außerhalb des Bekannten und Begriffenen: Es hat zu tun mit Leben in Fülle, mit bedingungs- und fraglosem Leben mitten in der Welt, mitten in allen Begrenzungen. Es geht darum, die grenzenlose-liebevolle Wirklichkeit in allen und allem wahrzunehmen und (nur so ist das möglich) dabei dem eigenen, kleinen Ego weniger Raum zu geben. Mit allen Konsequenzen: Es ist wie eine wirksame Medizin gegen die verbreitete Unsicherheit unserer Tage, gegen die Suche nach Halt in der Abgrenzung, bei angeblichen Hoffnungsträgern, die schnelle Lösungen versprechen. Eine Medizin gegen den Kommunikations-Stil von Aktion und Reaktion, der oft nur in Anklage und Selbstverteidigung besteht.

Das Schöne ist: Diese Medizin liegt bereit, in der täglichen Übung des Sterbens und Lebens, im Eintauchen in die Stille, in der Feier von Ostern. Und: Diese Medizin hat erwünschte Neben-Wirkungen, erfahrbar in einem Sesshin, aber nicht nur da. Je mehr ein Mensch sich in der Stille gibt, darin „eintaucht“, desto mehr wird er / sie zu einer Motivation für die anderen, die daneben Meditierenden. Ganz ohne Worte. So gehören das IN des Schweigens und das FÜR die Menschen zusammen.

Dass Ostern so zu einem Geschehen in uns werde, wünscht Ihnen allen, verbunden mit allen Teil-Nehmern und -Gebern des Sesshins in der Karwoche,

P. Paul

Faste!

Nur zu gut kennen wir aus den Sesshins die Einladung: „Hört, hört! Leben und Tod sind ernste Dinge. Schnell vergeht die Zeit. Seid wachsam!“ Fasten ist der Verzicht auf das, was uns daran hindert, dieser Einladung zu folgen, was das Sein in der Gegenwart überlagert. Christen und Muslime sind in diesem Jahr zur gleichen Zeit aufgefordert, dem Eigentlichen, dem Kern unseres Mensch-Seins wieder Raum zu geben, Platz zu schaffen. Dabei können uns die Ereignisse, die täglich unsere Aufmerksamkeit binden, helfen. Sie sind geeignet, unsere Konzepte, unsere Vorstellungen und Erwartungen zu zerbrechen. Was gestern noch Halt zu geben schien, ist heute unzuverlässig geworden oder liegt in Scherben.

Auch wenn es schwerfällt: Um nicht in Angst, Grübeleien, Zweifel und Verzweiflung zu verfallen, gilt es zurück zu treten. Fasten im Abstand-Nehmen: Das Sein-Lassen von allem, was nicht not-wendig ist, die Annahme des Jetzt ohne Wenn und Aber. Dieses Jetzt ist immer das Ganze. In der Annahme gehe ich hinaus aus dem Schwarz-Weiß-Denken, aus Freund und Feind, aus richtig und falsch, aus der Zweiheit, dem Zweifel, der Zerrissenheit. Es ist doch alles da. Jetzt. Freilich so, dass ich es nicht festhalten kann! So wie das jüdische Reinigungsbad den ganzen Menschen nach Gottes Abbild wieder regeneriert, wiederherstellt, so wäscht die Stille alles ab, womit der Mensch das Ganze, das Jetzt-Leben zugedeckt und befleckt hat. So wie ich mich niederwerfe, mich verbeuge, so hüte ich mich vor dem „Götzendienst“, bewahre mich davor, „etwas“ zu vergöttlichen, zu verabsolutieren.

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Ein weiteres bedarf der Erwähnung: herzliche Zuwendung. In allen großen spirituellen Traditionen ist Fasten verbunden mit Almosen. Nur zu nahe ist sonst die Versuchung einer spirituellen Selbstgenügsamkeit. Nur wenn das Herz gegenüber der Begrenztheit und Not, gegenüber der Ohnmacht und Ungerechtigkeit weich geworden ist, wenn es bereit geworden ist, (sich) zu geben, dann kann es sein, dass der Mensch die Dinge „recht sieht“. So ist es im Christentum die konkrete Hilfe, in der die unendliche Wirklichkeit aufscheint: Was ihr dem geringsten getan habt, das habt ihr MIR getan – heißt es in der Rede des Endzeit-Gleichnisses. Diese Gabe an den Bedürftigen kann ein gemeinsames Aushalten des Nullpunktes sein, ein solidarisch-liebevolles Einfach-Nur-Da-Sein. Und vielleicht ist es manchmal dieses „ganz unten“, aus dem sich neue Möglichkeiten des Handelns, auch des furchtlosen Widerstandes ergeben.

Wenn ich mich in die Stille begebe, dann möge es doch ein Fasten sein. Ein Ablegen von allem, was mich daran hindert, „nur“ zu sitzen und zu atmen. Ein Durchbrechen von Gedanken-Strömen und oft unbewussten Gewohnheiten, die sich in mein Leben eingeschlichen haben. Ein Hinein-Atmen in die Angst, die so bekannte Rückseite des Vertrauens. Ein Mich-Eins-Erspüren mit den vielen, die in dieser Zeit erhoffen, neu zu werden. Ein Zugehen auf Ostern.  

P. Paul

Wähle!

Was in diesen Tagen viele Menschen beschäftigt, ihnen Sorgen macht und sie herausfordert, das ist mit dem Thema „Wählen“ auch in der christlich-buddhistischen Tradition zu finden. So fordert Gott sein Volk dazu auf, sich für das Leben gegen den Tod zu entscheiden:

„Ich nehme Himmel und Erde heute über euch zu Zeugen: Ich habe euch Leben und Tod, Segen und Fluch vorgelegt, dass du das Leben erwählst“ (5 Mose 30,19).

Mit menschlicher Freiheit ist auch die Wahl verbunden, ein Privileg und zugleich der Auftrag, es verantwortlich zu tun. Privileg: Trotz aller Vorgaben und Grenzen ist das Leben in menschliche Hand gelegt. Auftrag: Das Wie, die Einstellung, die Haltung bestimmt, was und wie wir ent-scheiden, wie wir wählen. Und dieses Wie bedarf der ständigen Pflege. Dafür sitzen wir in der Stille, dafür halten wir inne, dafür tragen wir Sorge, dass die Kräfte des Verstandes und der Intuition zusammen kommen und zusammen wirken. So sind wir Menschen von der Schöpfung her gebaut und darauf will Gott-IN-Uns, will unser wahres Wesen uns wie in einem Mahnruf aufmerksam machen. Der Blick darauf könnte erschrecken lassen; und wenn es so wäre, könnte es ein heilsames Erschrecken sein! Was die Zen-Tradition betrifft, hat Altmeister Joshu hier Wichtiges beizufügen: Er zitierte wohl gerne den im Buddhismus bekannten Satz: „Der höchste Weg ist nicht schwer, nur duldet er kein Wählen.“ So zum Beispiel im Koan 2 der Sammlung Hegikanroku. Also doch kein Wählen? Keine Freiheit? Gemeint ist hier, soweit man dies mit Worten ausdrücken kann, wohl eher das Anhaften an sich selbst, an der eigenen Meinung und Sichtweise, menschliche Borniertheit. Genau dies macht ja unfrei, im richtigen Augenblick (nicht zu spät und nicht zu früh) den rechten Schritt zu gehen. Geschieht dieser jedoch recht, aus der Mitte, im Leben aus der Mitte, so tritt der Moment der „Aus-Wahl“ zurück: Es ist, als ob es sich ergibt, es legt sich nahe, drängt mich, ich gehe und werde gegangen….

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Noch auf ein Weiteres macht das Koan aufmerksam: Der „höchste“ Weg ist nicht die Prachtstraße fernab des Alltags, sondern deutet geradewegs hin auf die vielen Wahlen, die ich jeden Tag zu treffen habe, etwas zu tun oder nicht, Zeit zu haben oder nicht… Erst diese vielen kleinen Entscheidungen befähigen dann ja auch, in derselben Haltung und in derselben Selbstverständlichkeit dort recht zu wählen, wo es um echte Zäsuren im Leben geht, in meinem und damit ja auch in dem von anderen Menschen. Einem Menschen unter Einsatz des eigenen Lebens zu Hilfe zu eilen, dies setzt voraus, dass ich vorher meine Entscheidungen so getroffen habe, dass ich jetzt dazu bereit bin.

So rufen uns beide spirituelle Traditionen zu: Wähle das Ganze, wähle das Leben! Wähle!

P. Paul

Weih-Nacht = Heil-Nacht

Verwundungen gehören zum Leben. Sie werden manchmal absichtlich zugefügt, oft aber auch unabsichtlich. Viele heilen ganz schnell wieder, andere bleiben als Narben, manchmal sichtbar, manchmal verborgen. Es gibt Verletzungen, die wir ererbt haben von unseren Vorfahren, ungelöste Fragen, Beziehungs-Knoten. An einigen tragen wir ein Leben lang. Der Weg in die Stille kann Verwundungen zu Tage fördern, sei es in Erinnerungen, sei es in körperlich spürbaren Schmerzen. Im ruhigen Da-Sein will... Artikel ansehen

Fünf neue Assistierende Lehrerinnen und Lehrer in LEBEN AUS DER MITTE

Wir freuen uns, dass fünf „altbewährte“ TeilnehmerInnen, die durch ihre Mitarbeit ein hohes Maß an Identifikation mit unserem Programm zeigen und über viele Jahre hinweg den Koan-Weg durchlaufen haben, nun eine Lehrbefähigung erhalten konnten: Von links nach rechts:Ulrike Rögner-Fahrendorf (Bochum) mit dem Namen „Wolke der leuchtenden Dunkelheit“Prof. Dr. Johannes Michalak (Bochum) mit dem Namen „Wolke der grenzenlosen Gegenwart“Dr. Astrid Heidemann (Freiburg / Wuppertal) mit dem Namen „Wolke des großen Weges“Petra... Artikel ansehen