Wieder beleben

Gibt es eine schönere Zeit als das Frühjahr? Alles wartet darauf, nach der Zeit der Winterstarre wieder einzutauchen in die volle Dynamik des Lebens. Springtime heißt es im Englischen, wir hüpfen hinein in die tief in uns angelegte Lebendigkeit, lauschen auf sie, geben ihr Recht. Primavera nennen es unsere italienischen Freunde, Es ist nicht nur die Zeit vor dem Sommer: Es ist die erste Zeit, der Beginn – und die ursprüngliche Bedeutung des zweiten Wortteils weist hin auf das Glänzende, Strahlende, Kostbare. Davon wissen die Vögel, die jetzt schon in aller Frühe ihr Lied singen und das Dunkel vertreiben.

Was geschieht, wenn ein Mensch sich von dieser Wirklichkeit berühren lässt? Er wird merken, wie sehr außen und innen zusammengehören, wie sehr der Frühling in uns geschieht. Oft sind es winzige Augenblicke, in denen dem Bewusstsein eine Ahnung davon geschenkt wird, was Weite bedeutet. Sei es beim Ertönen des Gongs in der Meditation, sei es beim Betrachten einer Blüte, sei es beim Gesang einer Amsel: Auf einmal durchbricht etwas „anderes“ unser gewohntes Band von Gedanken, Gefühlen, Erwartungen, Urteilen, Sorgen …

Dieser Kuss des Unendlichen hat sich wohl in besonderer Weise ereignet im Geschehen der Verkündigung an Maria. Das Fest fällt ja in den Frühlingsbeginn, auf den 25. März, neun Monate vor Weihnachten. Der himmlische Bote führt Maria durch seine Kunde der Menschwerdung Gottes in nie gekanntes, fremdes Land, in die Weite der Einheit von Gott und Mensch. Marias „Mir geschehe“ ist ihr Ja zu diesem Neubeginn für die ganze Menschheit. Und bedeutungsvoll endet der Abschnitt aus dem Lukas-Evangelium mit den Worten „…danach verließ sie der Engel“.

Jedes innere Erleben von Weite will umgesetzt sein ins Leben, mit all seinen Licht- und Schattenseiten, mit der uns so vertrauten Dramatik. Hier setzt die Bedeutung des Großen Glaubens ein. Ohne ihn ist es nicht möglich, wirklich neu mit der ganzen Natur zu beginnen. Der Glaube gibt die Zustimmung, dass dieser Neubeginn möglich ist, in mir, in meiner Situation, in meinen oft so deutlich erlebbaren Grenzen.
Er bezeugt, dass Leben in mir stärker sein will als alle diese Grenzen, ja stärker als die Grenze aller Grenzen, der Tod.

Dieser Glaube aber ist letztendlich nichts anderes als das, was mit Fasten gemeint ist.
Beim Auflegen der Asche hörten wir: „Kehre um und glaube an das Evangelium“.
Die Übung des Sitzens lädt mit jedem Atemzug, mit jedem Bemühen um Aufmerksamkeit, dazu ein, umzukehren zu dem Leben, das immer neu beginnt, das stets im Anfang ist – zu dem Leben, in dem wir uns mehr und mehr als Unendlichkeitswesen entdecken.

Unter der Leitung von Klaus Appelmann, Cloud of the Golden Breeze, feiern wir in dieser Woche (20. – 26. März) das frühjahrliche Leben in einem langen Sesshin. Bitte fühlen Sie sich von Herzen eingeschlossen!

P. Paul

 

Fotos: Inge Hausen-Müller