Ostern geschieht

Ostern ist das Fest des Unmöglichen und des Unsichtbaren. Niemand hat es gesehen, was am Grab Jesu geschehen ist. Und niemand hat es für möglich gehalten, dass der Tod überwunden werden kann. Es ist ja nicht ein Verstorbener in sein früheres Leben zurückgekehrt; vielmehr ist der Gekreuzigte zu DEM Leben geworden, zum Leben aller und in allen.

Die Jünger hatten keinen Zweifel, dass Er es ist, der ihnen begegnete. Die Bibel spricht von „erscheinen“ – eine Weise der Begegnung, in der sie erst lernen müssen zu sehen, zu erkennen. Zunächst erkennen sie ihn nicht. Erst als er sie anspricht, mit ihnen das Brot bricht, da – so heißt es – gingen ihnen die Augen auf. Und auf einmal wussten sie ohne Zweifel: Er lebt.

Über 2000 Jahre später suchen wir auf dem Weg der Zen-Kontemplation nach diesem Leben, was nicht zu sehen ist, nicht in unsere Sinne fällt, nicht in unsere Vorstellungen passt – was jedoch ganz real ist. Wir blicken aus nach der Tiefe des Lebens, nach den Augenblicken, in denen uns die Augen aufgehen, in denen wir lernen zu sehen.

Wie die Jünger damals haben wir keine Ahnung davon, wie das sein wird, wie das geschehen kann. Und wie bei allem, was wir nicht wissen können, machen wir uns zumindest Vorstellungen darüber – dass es etwas Besonderes sein muss, dass es glückliche Umstände sein werden, dass alle unsere Wünsche in Erfüllung gehen, wenn es geschieht.
In der Stille lassen wir dann alle diese Vorstellungen vorbei ziehen, lassen das Vergangene hinter uns, trauen Gott das Unmögliche zu und überlassen es dem Leben, wie und wann es sich uns zeigen will.

Vielleicht sind es gerade die aktuellen Einschränkungen, die für uns ungewohnt sind, die uns am normalen Leben hindern, in denen wir uns so verletzlich vorkommen, mit denen wir noch nicht umgehen können – vielleicht ist gerade das jetzt die Zeit, sehend zu werden.

Oft sind es die kleinen, unscheinbaren Momente, in denen uns österliche Augen geschenkt werden. Das Brot teilen, eine Blume betrachten, Geschirr spülen, in der Begegnung eins werden – nichts Besonderes, das EINE Leben des Auferstandenen im Atem des Jetzt.

Diese Zeit des Umbruchs braucht Menschen, die dem Leben vertrauen, über den Tod hinaus. Dann können wir mutig die Chancen sehen, die das Neue uns bieten will. Weniger selbstsicher und egozentrisch, mehr vertrauend und solidarisch.

Ich wünsche uns, dass Ostern geschieht – mitten unter uns.
P. Paul

Fotos: Inge Hausen-Müller