Neu werden aus dem Grund
Es sind dunkle Tage, die zur Weihnacht hinführen. Oft wird es gar nicht richtig hell. Und für einige Zeit scheint es, als ob die Uhr still stehen würde – bis dann die Wintersonnenwende ganz, ganz langsam wieder mehr Licht bringt.
Es ist, als ob wir eingeladen wären, das Nicht-Sehen zu üben, den Grund unserer Existenz in seinem dunklen Geheimnis zu berühren, ihm nahe zu kommen.
Dass der Mensch sich gründlich spürt, dazu laden wir im Programm der Zen-Kontemplation ein. Nur wenn wir der Sache des Menschseins auf den Grund gehen, sind wir wohl den Herausforderungen unserer Zeit gewachsen, sind wir gegen die Versuchungen von Gleichgültigkeit und Resignation gewappnet.
Gott hat es uns vorgemacht: In der Menschwerdung hat er alle Abgründe ausgelotet, die unser Leben je schrecken können. Seit Weihnacht ist er anwesend im Grund.
Gott in der Tiefe. Geweihte Nacht. Licht in der Finsternis.
Das Geschenk dieses Ereignisses erahnt wohl nur, wer einmal ganz tief unten war oder ist. Dazu kann es viele Motive geben: gewollt oder vom Leben zugemutet. Manchmal geschieht es, dass beides zusammenkommt: das Ereignis und die Offenheit dafür, darin sich nahe zu kommen. Dann kann es geschehen, dass – vielleicht nur für einen Moment – sich Angst und Schrecken, Not und Ausweglosigkeit auflösen – ohne äußeres Motiv, einfach so. Wie nach einer Zeit der Stille nach außen hin alles noch so ist wie vorher – und doch ein kleiner Schritt auf einmal möglich ist. Und Neues, nie Gedachtes, sehnsuchtsvoll Erhofftes, zaghaft noch – aber doch möglich wird.
Der Grund ist die Krippe und das göttliche Kind der Neubeginn. Im Grunde ist jeder Mensch fähig, im Vertrauen neu zu beginnen. Den unendlichen Gott in sich Gott sein zu lassen, sich zu befreien aus dem Netz von Gewusstem und Bekanntem. Der Gottesgeburt, der Hochzeit im eigenen “silbernen Wassergrund” (Silja Walter) zuzustimmen. Sich dem Stern des eigenen Wesens zuzuwenden und ihm zu folgen: Heute ist euch der Retter geboren. Heute bist du, Mensch, neu geboren.
Dieses Heute hat kein Datum. Es ist Jetzt.
Selten im Jahr werden so viele gute Wünsche ausgesprochen wie zur Weihnacht und zum Neuen Jahr. Wie viel Wissen um das, was man sich nur wünschen, aber nicht machen kann, liegt doch in uns! Die Kraft der Stille bestärkt dies. Mehr noch, sie ruft uns auch in die Verantwortung, mit jedem Wunsch, den wir aussprechen, das Vertrauen zu verbinden: “Es möge dir geschehen!”
Viele Kursteilnehmer haben sich in den letzten Wochen in Sesshins eingelassen auf das Spüren des Grundes. Über die Festtage wird wieder ein Kurs in Vallendar stattfinden – in besonderer Prägung durch Ort und Zeit.
Wir alle wünschen Ihnen von ganzem Herzen weihnachtliche Festtage, welche die Kraft zum Neubeginn wecken über alle unsere bisher gesehenen Möglichkeiten hinaus. Denn bei Gott, denn in unserem Wahren Wesen, ist nichts unmöglich.
P. Paul und P. Johannes