LEBEN AUS DER MITTE in Essen und Hiroshima
Pilgerreisen von LEBEN AUS DER MITTE führten P. Johannes und Teilnehmer des Programms in den Jahren 1991, 1996 und 2009 nach Japan und als Höhepunkt der Reisen jeweils nach Hiroshima. Beim Besuch in Hiroshima in 2009 kam es zu intensiven Begegnungen und Gesprächen mit der Gemeinde der Weltfriedenskirche in Hiroshima, vor allem mit dem damaligen Bischof Josef Misue, dem Pfarrer Masashi Goto und mit Herrn Aoba, einem Architekten, der sich entscheidend um die Renovierung der Weltfriedenskirche verdient gemacht hatte. Dabei äußerten Pfr. Goto und Hr. Aoba den ernsthaften Wunsch, nach Essen zu kommen und von P. Johannes in die Zen-Kontemplation eingeführt zu werden.
Dieser Wunsch konnte im Januar 2011 in einem Sesshin in Essen realisiert werden (Bericht). Seitdem üben Pfr. Goto und Hr. Aoba täglich Zazen. Im Sommer 2012 gründeten sie in Hiroshima das Enomiya-Lassalle-Zazenkai, eine Zen-Kontemplations-Gruppe, die sich jeweils am dritten Freitag eines Monats in der Krypta der Weltfriedenskirche zur gemeinsamen Meditation und anschließenden Eucharistiefeier trifft.
Anfang 2013 hatte Marlis Müting die Möglichkeit, das Enomiya-Lassalle-Zazenkai zu besuchen. Am Freitag, 15. Februar 2013, traf sie mit Pfr. Goto, Hrn. Aoba und den übrigen Teilnehmern des Zazenkais in Hiroshima zusammen und wurde sehr herzlich empfangen.
Zu unserer großen Freude konnten wir vor kurzem erneut Pfarrer Goto und Herrn Aoba in Essen begrüßen, und zwar bei dem von P. Johannes geleiteten Sesshin vom 10. – 14. Juli 2013 im Kardinal-Hengsbach-Haus. Dieses Sesshin war bemerkenswert international aufgestellt, da daran neben den Japanern auch zwei Mitglieder der römischen Gruppe teilnahmen sowie ein deutscher Zen-Schüler von P. Johannes, der zurzeit in Taiwan lebt.
In den Teishos dieses Sesshins sprach P. Johannes von den vier Grundvoraussetzungen für den Weg der Zen-Kontemplation und damit auch für die Freilegung der geistigen Kernenergie im Menschen:
Die erste dieser Voraussetzungen ist der Große Glaube: Die unendliche Wirklichkeit ist in mir, gemäß dem Wort des Zen-buddhistischen Meisters Yamada Kôun Roshi an P. Johannes: “Du musst verwirklichen, dass Jesus Christus in dir ist!”
Die zweite Voraussetzung besteht in dem Großen Entschluss, die Zentriertheit auf das kleine, begrenzte Ego, auf die Haltung des Machers, aufzugeben und alles daran zu setzen, empfänglich zu werden für die Mitteilung der unendlichen Wirklichkeit in uns selbst.
Als weitere Voraussetzung nannte P. Johannes das Große Gebet, das Yamada Kôun Roshi erstmals in der Geschichte des Zen-Buddhismus in Ergänzung zu den bekannten drei Grundvoraussetzungen des Zen-Weges betont hatte: “Man muss auch um Erleuchtung beten!”. Auf dem Weg der Zen-Kontemplation müssen wir zu der Einsicht kommen, dass auch unsere besten Bemühungen begrenzt sind und wir es nicht “machen” können. Doch können, sollen und dürfen wir um alles bitten:
“All unsere Bemühung sei eine Geste des Bittens”, wie P. Johannes sagte.
Am letzten Tag des Sesshins sprach P. Johannes in einer ganz neuen Weise von der letzten Grundvoraussetzung, dem Großen Zweifel. Er zitierte dazu ein Wort aus der Nachfolge Christi: “Gib mir noch heute die Gnade eines vollkommenen Beginns. Ich habe bisher nichts getan.” Der große Zweifel lässt uns durchaus sehen, dass wir allen Grund zur Dankbarkeit für das Bisherige haben. Doch er durchkreuzt alles Anhaften am bisher Erreichten, reduziert es auf Null und entfaltet so eine immense Schubkraft, die uns weiter voranschreiten lässt auf dem endlosen Weg, immer tiefer hinein in das unendliche Erbarmen. Auf diese Weise wird jede Situation zu einem neuen Beginn im Sesshin ohne Ende. Jede einzelne Handlung in unserem Alltag setzt die atomaren Energien der Liebe und des Friedens frei, wenn wir sie vollziehen in dem Auftrag und der Gesinnung: “Tut dies zu meinem Gedächtnis!”
Für die internationalen Teilnehmer wurden die Worte von P. Johannes während der Teishos schrittweise ins Englische übersetzt, was die Wirkung seiner Aussagen noch mehr verstärkte. Am Ende der letzten Eucharistiefeier konnten wir den Japanern eine englische Version eines wichtigen Textes von P. Johannes überreichen. Frances Deuticke und Marlis Müting hatten die Festschrift übersetzt, die P. Johannes 2007 anlässlich der Einweihung des Reliefs von P. Lassalle geschrieben hatte: “Die Weltfriedenskirche als Symbol – zum Gedenken an den Zeugen eines neuen Bewusstseins am Beginn des Atomzeitalters: Pater Hugo Enomiya-Lassalle.”
Pfarrer Goto und Herr Aoba bedankten sich ganz herzlich bei P. Johannes und allen Mitarbeitern und Teilnehmern für das Sesshin und all die Unter-stützung, die ihnen bisher von uns zuteil wurde. Sie überreichten uns eine Kalligraphie von Pater Lassalle mit dem Schriftzeichen Mu, ein kostbares Stück, das sicherlich bald einen guten Platz in unserem Meditationszentrum finden wird. Das Sesshin habe sie für ihren weiteren Weg inspiriert, bestärkt und ermutigt. Es sei eine große Hilfe für sie und die Teilnehmer des Enomiya-Lassalle-Zazenkais, sich mit uns in Essen vereint zu wissen in einem Geist und so trotz der Entfernung immer mit uns zusammen sitzen zu können. Pfarrer Goto sei durch das Sesshin zu dem Entschluss gekommen, von nun an nicht nur morgens, sondern jeden Tag auch abends zu sitzen. P. Johannes sieht die Verbindung zu Hiroshima als ganz wesentlich für unser Programm LEBEN AUS DER MITTE, da sich unser Programm Pater Lassalle, dem großen Zeugen eines neuen Bewusstseins am Beginn des Atomzeitalters verdankt, einem Zeugen, dessen Geist der Liebe und des Friedens in diesem Sesshin ganz deutlich spürbar war.
(Vollständiger Bericht mit weiteren Bildern)
Marlis Müting