Baden gehen
Im Schluss-Teisho des langen Juni-Sesshins machte Guido Quinkert das Koan von den 16 Boddhisatvas, die nach Mönchsbrauch das Bad bestiegen, zum Thema:
“Und plötzlich erlangten sie Realisierung durch die Berührung des Wassers”, heißt es da.
Ist dies nicht eine wundervolle Ermutigung für die Sommer- und Ferienzeit, im Bad die unendliche Fülle des Menschseins zu entdecken?
Zeit und Muße der Ferien laden auf besondere Weise dazu ein, die spirituelle Potenz unserer Sinne zu entdecken. Sie ermöglichen Erfahrung, lassen uns eins werden mit uns selbst und zugleich mit dem, was uns berührt: seien es die Strahlen der Sonne, seien es die Wasserperlen und Wellen des Meeres.
In jeder Übung der Stille werden wir, wie P. Johannes immer wieder sagt, nass: lassen uns ein in die Atmosphäre der Hingabe, lassen unsere Gedanken und Vorstellungen im Nicht-Wissen untergehen, vergessen uns ganz im Hier und Jetzt. Alles Bisherige geht baden. Und es muss völlig untertauchen, wenn es völlig neu werden soll.
Bad, Wasser, Untertauchen als Symbol des Sterbens.
Das ist Allgemeingut der Religionen: So kennen Juden das Tauchbad als rituelle Reinigung; und so ist eigentlich auch das Gemeinte christlicher Taufe nicht zu sehen wie bei der Kindertaufe im Beträufeln des Kopfes mit einer Miniration Wasser, sondern im Untertauchen des sich zu seinem Glauben bekennenden Erwachsenen. Er wird in diesem Gestus verbunden mit der Hingabe Jesu, stirbt mit ihm und wird neu mit ihm im Auftauchen.
Natürlich ist keine Wesenserfahrung machbar. Aber einmal die Sinne bewusst “ausfahren”, sich in das gegenwärtige Erleben ohne Druck des nächsten Termins ganz “fallenlassen”, den Geschmack eines guten Essens kosten wie nie zuvor, das Rauschen des Wassers, die nächtlichen Geräusche von Grillen in mir Widerhall finden lassen – dies sind Momente, in denen die Zeit stille steht, der Raum sich weitet und das Herz berührt wird.
Und dies nicht nur zum Wohl des einzelnen:
Der Blick auf die Probleme der Menschheit macht mehr als deutlich, dass noch viel an Altem baden gehen muss, damit Lösungen gefunden werden können, die sich nicht an den zu kleinen Schemata von gestern orientieren. Und es muss noch viele Menschen geben, welche die Bereitschaft aufbringen, mit all ihrer Existenz und mit großem Vertrauen unterzutauchen, um mit einem neuen Bewusstsein und mit bisher nie gekannten Kraftressourcen an einer menschlichen Zukunft mitzuwirken.
Eine erholsame und erfahrungsreiche Sommerzeit wünscht
P. Paul