Ankunft im Aufbruch
Die Ruhrtriennale 2009-2011 unter künstlerischer Leitung von Willy Decker endete am 9. Oktober mit einem stillen Paukenschlag der Zerstörung.
In vollbesetzter Jahrhunderthalle in Bochum entstand zu Beginn des Geschehens eine wortlos – nur im Blick auf die Mitte des Raumes – eingeleitete Stille. In mildem Licht erstrahlte das eben vollendete Mandala, in Form und Farbe unbeschreiblicher Schönheit. In quadrati- scher Fünfmeterfläche hatten fünf buddhistische Mönche aus Bhutan in meditativer Versenkung mit bloßen Händen dieses Werk vollbracht.
Wenn ich jetzt, da ich dies schreibe, in meiner Erinnerung diesen Anblick auf mich wirken lasse, fühle ich mich wie in eine andere Welt hineingenommen. Der ganze Raum der Jahrhunderthalle war erfüllt von einer geistigen und ortlosen Präsenz. Viele Hände hielten wohl heiß ihren Fotoapparat – aber niemand wagte, das Fotografierverbot zu übertreten.
Das Mandala wollte gesehen, erlebt und erfühlt werden in seiner Weise: Der Betrachter solle unsichtbare Wirklichkeit in sich selber, in seinem eigenen Wahren Wesen erspüren und erfahren. Dieses Sichtbare will Ausdruck sein des Unsichtbaren in unzerstörbarer Präsenz. Sinngemäß gesehen bleibt es unvergessen und will das Unvergängliche erkennen lassen, das nicht zerstört werden kann. Deswegen entspricht es dem Sinn dieser sichtbaren Gestalt, dass sie der sinnlichen Wahrnehmung entzogen und zerstört werden muss.
Das Mandala ist wie ein gesprochenes Wort, das erst – wenn es gesagt ist, wirken kann. Es verhallt. Es ist und ist auch nicht mehr. Ein Wort, das aus dem nichtzeitlich Wesentlichen kommt, bleibt allezeit gültig und wirksam. So auch das Mandala: Es kommt aus dem Nichtbildlichen, will im Nichtbildlichen bleiben und verlangt, seinem Sinn entsprechend, die Zerstörung, in der die unzerstörbare Schönheit im Ungenügen des Gewordenen und im Schöpferischen zum Neuen erstrahlt. Zerstörung als Ankunft zum Aufbruch, als Ende zum Beginn.
Dieses Erlebnis war mir Herzberührung – Sesshin. Erstmals sah ich in einem Mandala das Koan, in dem schließlich jeder sich selber sehen kann.
So ist die Zerstörung des Mandala Höhepunkt und Finale dieser Triennale gemäß ihrem geradezu prophe- tischen Thema: Urmomente in Aufbruch – Wanderung – Ankunft – Suche nach dem Jetzt.
Die Nachfrage an der Zerstörung des Mandala war so groß, dass hundert Interessenten keinen Platz mehr fanden. Was will solches Interesse in unserer Zeit besagen?
Ich kann jedenfalls dies sagen: In diesem Interesse darf ich morgen wieder ein Sesshin im Kardinal-Hengsbach-Haus in Essen beginnen. Das erste Sesshin, in dem ich mich selbst sehe als Mandala – mit allen, die sich auf diese Möglichkeit einlassen möchten.
P. Johannes