Anders-Advent

Eine Karikatur der vergangenen Tage zeigt die weihnachtliche Krippe. In ihr liegt anstelle des neu geborenen Kindes eine Impfspritze. So berechtigt und verständlich diese Hoffnung für die Menschheit ist, stellt sich dennoch die Frage:

Waren die letzten Monate ein Zwischenspiel, das möglichst schnell wieder dem Vergessen anheimfallen soll?

Das „Hört, hört!“ des Mahnrufs am Ende eines Sesshin-Tages klingt doch durch in allen Ereignissen, in denen der Mensch sich selbst begegnet (Graf Dürckheim), also auch in dem, was jetzt geschieht. Es ist der dringende Anspruch, das Leben nicht zu verspielen, das eigene Mensch-Sein zu realisieren.

Ist also die Hoffnung berechtigt, dass der Epidemie-bedingt andere Advent 2020 dazu führt, das Motiv Menschwerdung deutlicher und „mehr denn je“ aufzunehmen und wirken zu lassen? Und das in vielen Menschen „guten Willens“? Und was können Meditierende dazu beitragen?

In der täglichen Praxis der Versenkung wächst die Vertrautheit mit der Erfahrung von Abgeschiedenheit und dem Umgang mit wechselnden, auch schwierigen Lebenssituationen. Viele im Programm „Leben aus der Mitte“ gehen diesen Weg seit Jahren und Jahrzehnten.
Sie dürfen sich beauftragt und legitimiert sehen, Anteil zu geben an ihrer Zuversicht. Denn es ist eine Zuversicht, die sich nicht festmacht an Traditionen und Gewohnheiten oder einem etablierten Lebensstil, die sich nicht identifiziert mit „etwas“. Vielmehr gilt es, der Botschaft und dem unerhört Neuen zu glauben, das in dieser besonderen Zeit auf uns zukommt.

Wer recht hört, der darf und soll sich auch mitteilen:

  • Einander zu-sprechen und zu-muten, was wir an bisher unbekannten Möglichkeiten entdecken, wie Einschränkungen zur Konzentration und oft auch Intensivierung des Miteinanders führen.
  • Einander ermutigen, Lebensphasen von Dürre und Einsamkeit nicht auszuweichen, sondern als Weg zu mehr Leben anzusehen.
  • Das Bewusstsein stärken, dass jenes Licht, das in der Finsternis leuchtet, nirgendwo anders als in mir durchscheinen will.

Es geht um die „andere“ Ansteckungsmöglichkeit:
Die Inspiration (=einatmen!) verbreiten, den Brunnen des Lebens in dieser Zeit tiefer zu graben.
Die Menschwerdung Gottes ist Faktum, Ereignis – und das unerschöpflich.

Eine reiche, gesegnete Zeit wünscht
P. Paul

Bilder Inge Hausen-Müller