Spirituelle Impulse

Offene Räume, herzliche Einladung!

Vor 21 Jahren, an Christi Himmelfahrt 1998, fand in unserem Zendo das erste Sesshin statt. Es wurde geleitet von Pfarrer Wilfried Höfermann († 2007), dem ersten der von P. Johannes ernannten Zenlehrer. P. Johannes selbst lag im Krankenhaus.

Ohne ihn, P. Johannes, an den wir in dieser Woche an seinem Todestag († 22.6.16) erinnern, gäbe es diesen Raum nicht – ein ehemaliges Schwimmbad für Priesteramtskandidaten (zu bestimmten Zeiten geöffnet auch für „andere Menschen“!).
Als P. Johannes erfuhr, man wolle das Bad schließen und abreißen, hatte er die Vision eines “Bades der Stille”. Zusammen mit dem Freundeskreis und dem Bistum, in geduldiger Kleinarbeit, bekam die Vision Füße.

Ein neuer Raum entstand, ein Zuhause für das Programm „Leben aus der Mitte / Zen-Kontemplation“.
Kurz vor der Einweihung sagte P. Johannes, er wünsche sich, dass der Raum nicht ganz fertig gebaut werde, dass immer noch etwas unvollendet bleibe, zum Weiterbauen – als Schutz vor Routine. Und es ist wahr: Seitdem bauen alle, die zum Sitzen kommen, mit an der Atmosphäre, welche den Eintretenden spürbar entgegenkommt und sie einnimmt.

Der Raum atmet das Stille-Werden von Menschen, die darin ihren inneren Raum entdecken. „Lasst euch als lebendige Steine zu einem geistigen Haus aufbauen“, heißt es im ersten Petrusbrief des Neuen Testamentes. Diese Aufforderung zielt auf das eigentlich Menschliche und ist gerichtet an alle, die sich ansprechen lassen.
So steht unser Zendo als Teil eines diözesanen Bildungshauses und inmitten des dicht bevölkerten Ruhrpotts offen für viele Suchende. Und das ist gut so. Das Geschenk der Stille will sich mitteilen, will anstecken. Jede Erfahrung des Einsseins will im Dienst an den Menschen sich erden.

Auch in Rom – dort fand zu Pfingsten wieder ein Sesshin statt – lebt unsere Gruppe mit ganz speziellen Räumen. Fast bei allen Teilnehmern dort fing es damit an, dass sie den Weg in die Buchhandlung von Eduardo fanden. Mitten im historischen Zentrum der Stadt, auf engstem Raum, unendlich viele Bücher zu allen Themen von Spiritualität, Religionen, Mensch-Sein. Edoardo weiß, unter welchem Stapel was zu finden ist, er berät, und wenn er ein entsprechendes Interesse wahrnimmt, lädt er ein, zum Sitzen vorbeizukommen. Dies geschieht zweimal in der Woche in der Krypta einer Kirche, deren Pfarrer ein großes Herz für die „Armen der Stadt“ hat. So werden Meditierende auch regelmäßig zu Helfern, wenn es darum geht, Butterbrote zu belegen oder wieder einmal, in demselben Raum, ein Sonntagsmenü aufzutischen für Obdachlose und Bettler.

Räume wollen offen sein und einladen. Sie sind Ermöglichungs-Orte, machen Mut zum Aufbruch und heißen den Heimkehrer willkommen.
Sie dienen der offenen Weite, zu der hin der Mensch unterwegs ist.
Zen, das lange nur im geschlossenen Raum des Klosters praktiziert wurde, ist hinausgegangen – mitten unter die Menschen. Daran hat die japanische Sanbo-Zen-Schule, in der unser Programm wurzelt, maßgeblichen Anteil.
Auf diese Weise sind viele neue Zendos entstanden, auch an „Anders-Orten“ wie z.B. in Gefängnissen und Krankenhäusern – und nicht zuletzt: genau dort, wo Sie, die Sie dies gerade lesen, Ihren Sitzplatz haben, sei es im Alltag oder im sommerlichen Urlaub. Vielleicht finden Sie ja gerade an diesem Ort jemanden, der mit Ihnen sitzt.
Halten wir unsere Räume offen! 

P. Paul

Fotos: Rainer Schmidt

Ver-Geben

Wir begleiten Sie in die Stille – heißt es auf unserer Homepage, die im Laufe dieses Jahres ein neues Gewand bekommen soll. Viele Menschen haben Angst vor der Stille, dem Nicht-Lauten; vielleicht, weil sie intuitiv wissen, dass sie darin mit Altlasten des Lebens, mit Ressentiments, Vorwürfen, Anklagen und Verletzungen konfrontiert werden. All dies lässt sich ja nicht einfach „weg-schweigen“.

Gleichzeitig gilt: Wir sind dem gegenüber nicht machtlos! Es ist wie mit körperlichen Schmerzen. Ich brauche den Mut, mich ihnen liebevoll zuzuwenden und, das ist in der Stille eine wunderbare Möglichkeit, hinein zu atmen. Oftmals verändert sich dadurch schon etwas: Auch wenn vielleicht der Schmerz nicht weg ist, verliert er seinen aggressiven, mir entgegen stehenden und damit „störenden“ Charakter. Der Atem ist eine Kraft, ist Balsam, ist Veränderungs-Potential. Es ist gut, sich dies einmal wieder neu in Erinnerung zu rufen, gerade jetzt im Vorfeld von Pfingsten, der Feier des Atem-Geistes Gottes in uns.

Der Atem ist Gabe: Darin empfängt sich und gibt sich der Mensch. Von Gabe und Geben weiß auch das schöne Wort „Ver-Gebung“. Das lateinische Wort für „Gabe“ = „Donum“ steckt auch im französischen „Pardon“ genau wie im englischen „forgive“ und im italienischen „perdono“. Im Verzeihen gibt sich der Mensch, gibt sich hinein in das Leben, löst entstandene, Schmerzen verursachende Spannungen und Knoten auf. Die Autorität dazu ist schlicht und einfach durch das Mensch-Sein gegeben: sich selbst und anderen zu vergeben ist eine reale Möglichkeit, zunächst einmal unabhängig davon, ob ein Mit-Mensch dies annimmt, erwidert oder nicht.

Der auferstandene Jesus Christus haucht (nach Johannes Kapitel 20) seine Jünger an und trägt ihnen auf, dass sie Schuld vergeben, lösen, befreien sollen. Ich verstehe als Adressaten dieses Auftrags nicht nur die kirchlichen Amtsträger, ich verstehe diesen Auftrag an jeden Christen und darüber hinaus gerichtet. Wie viel Gutes kann geschehen, wenn Meditierende sich dieser „Sendung“ bewusst sind und anfangen, die eigenen Verletzungen anzuschauen und zu vergeben: angefangen mit der Vergebung bei sich selbst bis hin zu den Mitmenschen, die vielleicht aus dem eigenen Lebenshorizont verdrängt wurden, weil (manchmal ur-alte) Vorwürfe im Raum des Bewusstseins stehen geblieben sind.

Mit diesen Menschen eins zu werden ist vielleicht schwerer, als das nächste Koan zu lösen. Gleichzeitig ist oft die Konsequenz, dass das Sitzen tiefer und friedvoller wird, der Blick klarer. Und vielleicht ist damit auch der Grundstein dafür gelegt, dass es irgendwann zu einem Gespräch, einer Begegnung kommen kann, die das Geschehene noch einmal in ein neues Licht rückt.

Keinesfalls möchte ich durch diese Zeilen leugnen oder verharmlosen, was wir Menschen einander antun, welche Verletzungen wir uns zufügen können. Und manchmal wird es auch fachlicher Hilfe bedürfen, daran zu arbeiten. Das Sitzen in der Stille setzt jedenfalls Kräfte frei, in eigener Vollmacht aus der Opferrolle hinauszugehen. Denn es kann nicht zur menschlichen Bestimmung gehören, ein Leben lang von in der Vergangenheit Geschehenem sich blockieren zu lassen; sich beeindrucken zu lassen von den inneren Stimmen, die immer wieder Urteile fällen, über andere und über mich selbst.

Diese Urteile loszulassen – das ist ein Ver-Geben, ein Sich-Geben, ein Lassen und Annehmen im Atem. Es ist Geschenk und zugleich menschliche Möglichkeit, es zuzulassen. Dass dies geschehen möge, wünsche ich uns herzlich – gerade jetzt in der Zeit, da an den kommenden Feiertagen wieder viele von uns sich dem Schweigen überlassen werden: Christ Himmelfahrt und Fronleichnam in Meschede, Pfingsten in Rom und Vallendar sind wir verbunden.

P. Paul

Fotos: Pixabay

Ostern: Ihr seid ja gestorben…

….und euer neues Leben ist mit Christus verborgen in Gott.

Was ist gemeint, wenn sich dieser biblische Text aus dem Brief an die Gemeinde in Kolossä (Kleinasien / Phrygien) offensichtlich an Menschen richtet, die sich ihres Lebens freuen?

„Sterben“ soll hier an die Taufe erinnern, deren Ritus des Ein- und Auftauchens ein sprechendes Symbol für menschliche Transformation, für Neu-Werden ist. Die Taufe wurde am Anfang der Christenheit an Ostern gespendet. Dies war der einzige jährliche Tauf-Termin, auf den hin sich Taufbewerber („Katechumenen“) über eine lange Zeit vorbereiteten. Taufe – nicht nur einmal im Leben, sondern als Haltung immer wieder, täglich neu – ist also verbunden mit Ostern. Wir sind, heißt es im Römerbrief, auf seinen – Christi – Tod getauft. „Sein Tod soll mich prägen“, sagt Paulus im Brief an die Philipper. Im „Untergehen“ ist die Tür geöffnet, Christus „gleichförmig“ zu werden, mit ihm das Geheimnis des unendlichen Gottes zu „schmecken“.

Foto: Pixabay

Für meditierende Christen kann dies eine unüberbietbare Motivation sein, sich „gründlich“ zu setzen, ganz einzutauchen in die Stille, die Angst vor dem sprachlosen Dunkel zu überwinden, das vorgestellte Ich aufzugeben. Gerade hier, davon zeugen viele Erfahrene, gilt: Wer gibt, empfängt. Wer sich selbst gibt, empfängt über alle Maße, jenseits alles Messbaren.

Unfassbar – und doch so konkret!

Wie lässt sich diese lichtvolle Weise des Auftauchens, die helle Seite von Ostern erklären? Hier sind alle spirituellen Traditionen zurückhaltend, vorsichtig, zögernd. Mit gutem Grund, denn das Neue lässt sich nicht in Worten eingrenzen. So heißt es schon in der frühesten Oster-Erzählung, dass die Frauen vom leeren Grab wegliefen und niemand etwas davon erzählten. „Schrecken und Außer-sich-Sein hatte sie ergriffen“ angesichts dessen, was sie erleben und erfahren durften.

Außer sich, außerhalb des Bekannten und Begriffenen: Es hat zu tun mit Leben in Fülle, mit bedingungs- und fraglosem Leben mitten in der Welt, mitten in allen Begrenzungen. Es geht darum, die grenzenlose-liebevolle Wirklichkeit in allen und allem wahrzunehmen und (nur so ist das möglich) dabei dem eigenen, kleinen Ego weniger Raum zu geben. Mit allen Konsequenzen: Es ist wie eine wirksame Medizin gegen die verbreitete Unsicherheit unserer Tage, gegen die Suche nach Halt in der Abgrenzung, bei angeblichen Hoffnungsträgern, die schnelle Lösungen versprechen. Eine Medizin gegen den Kommunikations-Stil von Aktion und Reaktion, der oft nur in Anklage und Selbstverteidigung besteht.

Das Schöne ist: Diese Medizin liegt bereit, in der täglichen Übung des Sterbens und Lebens, im Eintauchen in die Stille, in der Feier von Ostern. Und: Diese Medizin hat erwünschte Neben-Wirkungen, erfahrbar in einem Sesshin, aber nicht nur da. Je mehr ein Mensch sich in der Stille gibt, darin „eintaucht“, desto mehr wird er / sie zu einer Motivation für die anderen, die daneben Meditierenden. Ganz ohne Worte. So gehören das IN des Schweigens und das FÜR die Menschen zusammen.

Dass Ostern so zu einem Geschehen in uns werde, wünscht Ihnen allen, verbunden mit allen Teil-Nehmern und -Gebern des Sesshins in der Karwoche,

P. Paul

Faste!

Nur zu gut kennen wir aus den Sesshins die Einladung: „Hört, hört! Leben und Tod sind ernste Dinge. Schnell vergeht die Zeit. Seid wachsam!“ Fasten ist der Verzicht auf das, was uns daran hindert, dieser Einladung zu folgen, was das Sein in der Gegenwart überlagert. Christen und Muslime sind in diesem Jahr zur gleichen Zeit aufgefordert, dem Eigentlichen, dem Kern unseres Mensch-Seins wieder Raum zu geben, Platz zu schaffen. Dabei... Artikel ansehen

Wähle!

Was in diesen Tagen viele Menschen beschäftigt, ihnen Sorgen macht und sie herausfordert, das ist mit dem Thema „Wählen“ auch in der christlich-buddhistischen Tradition zu finden. So fordert Gott sein Volk dazu auf, sich für das Leben gegen den Tod zu entscheiden: „Ich nehme Himmel und Erde heute über euch zu Zeugen: Ich habe euch Leben und Tod, Segen und Fluch vorgelegt, dass du das Leben erwählst“ (5 Mose 30,19).... Artikel ansehen

Weih-Nacht = Heil-Nacht

Verwundungen gehören zum Leben. Sie werden manchmal absichtlich zugefügt, oft aber auch unabsichtlich. Viele heilen ganz schnell wieder, andere bleiben als Narben, manchmal sichtbar, manchmal verborgen. Es gibt Verletzungen, die wir ererbt haben von unseren Vorfahren, ungelöste Fragen, Beziehungs-Knoten. An einigen tragen wir ein Leben lang. Der Weg in die Stille kann Verwundungen zu Tage fördern, sei es in Erinnerungen, sei es in körperlich spürbaren Schmerzen. Im ruhigen Da-Sein will... Artikel ansehen