Kein Ort, nirgends
Wo sind wir zu Hause? Brauchen wir ein „zu Hause“? Sind wir nicht alle – zumindest biblisch gesehen – Pilger, Fremde? In einer Zeit, da mehrere Millionen Menschen auf der Flucht und der Suche nach einer neuen Heimat sind, ist diese Frage nicht leicht zu beantworten.
In einem Koan heißt es: „Der wahre Buddha sitzt im Inneren seines Hauses.“ Es ist dies das letzte in einer Reihe von Koans, die hinweisen auf Buddhas aus Ton, aus Holz und aus Metall, die alle nicht durchs Feuer gehen. „Geht er doch hindurch, so verbrennt er gewiss“, heißt es jeweils.
So kostbar und „heilig“ und anheimelnd die Buddha-Figuren sind, es sind Idole, Götzen. An solchen hängen wir irgendwie alle – seien sie aus Ton, Holz oder Metall, seien sie immateriell wie Vorstellungen, Ziele, Ansprüche. Das Lebendige (und nicht etwa das Phantom einer zukünftigen Hölle) brennt dies alles hinweg; alle lieb gewordenen Formen, Räume …
Niemand kommt an der Erfahrung des „Verbrennens“ vorbei – letztlich an der Erkenntnis, dass Idole eben Idole sind und nichts weiter. Wo aber sitzt dann der „wahre Buddha“, wo ist dieser Raum? Christlich gesprochen: Wo ist die Wohnung, von welcher es im Johannes-Evangelium heißt, dass Christus sie uns bereitet?
Wenn Sie mir bis hierher gefolgt sind, denken Sie jetzt vielleicht: P. Paul möchte uns den Verlust des Kardinal-Hengsbach-Hauses spirituell schönreden! Nein, das will ich nicht. Mit Ihnen bin ich traurig, dass wir einen Ort verlieren, der für viele Übende zu mehr als einem Ort geworden ist. Mit Ihnen bin ich dankbar für die Atmosphäre, die es uns immer wieder leicht gemacht hat und macht, uns in die Stille zu versenken, einzutauchen in den Nicht-Ort und in die Nicht-Zeit. Viele verbinden mit dem Stadtteil „Werden“ auch Momente ganz persönlichen „Werdens“ und Reifens. All dies werden wir am kommenden Samstag im Herzen tragen, wenn wir uns verabschieden; stellvertretend für alle, die vielleicht gerne kommen wollen und es, aus welchen Gründen auch immer, nicht können. Es ist ja noch nicht so richtig ein Abschied – bis Ende des Jahres werden noch die Meditations-Dienstage (Zazenkai) und -Abende dort stattfinden.
Gleichzeitig weist uns die Situation hin auf den Nicht-Ort: Er passt in kein Navigationsgerät und hat keine Postleitzahl – und doch ist er konkreter und lebendiger als alle Punkte auf dem runden Globus. Sich darin zu begründen und beheimaten, das lässt uns die Angst vor dem Feuer, vor dem Verlust, vor der „Vertreibung“ verlieren. Dann öffnet uns die Perspektive, „heimatlos“ zu sein, für die Einkehr in den Ort, der allen Zen-Praktizierenden lieb und teuer ist: Zu Hause sind wir IM BEGINN.
Gerne erinnere ich in diesem Zusammenhang an P. Johannes, dessen Vision ja der Umbau des ehemaligen Schwimmbades zu verdanken ist – umgesetzt wurde er dann vom Bistum mit bedeutsamen finanziellen Zuschüssen aus unserem Freundeskreis. Als die Umgestaltung so gut wie vollendet war, brachte P. Johannes des Öfteren seine Furcht vor einem zu perfekten Ambiente zum Ausdruck: „Eigentlich müsste man in diesem Raum etwas unvollendet lassen, das uns dazu einlädt, im Beginn zu sein“, so seine Worte.
Mögen wir, zunächst in der „Zerstreuung“ – an den vielen Orten, wo unsere Sesshins in den nächsten Monaten stattfinden – uns immer wieder einfinden in den Nicht-Ort des wahren Buddha, in die von Gott, der unendlichen Wirklichkeit in uns, her kommende, nicht von Menschenhand gemache Wohnung!
P. Paul