Hilfsbedürftig
In einer Welt der Sieger klingt das nicht gut: Schwäche und das Bedürfnis, dass mir geholfen wird, gehören hier eher zu den zu überwindenden Haltungen.
Selbst da, wo jemand bereit ist, von sich aus Hilfe zu leisten, bedeutet dies noch lange nicht, sich auch beistehen zu lassen. Viele Helfer und Helferinnen wissen aus eigener Erfahrung, wie schwer es ist, selbst hilfsbedürftig zu werden. Wer will denn schon „angewiesen“ sein auf „andere“? In Zeiten von Krankheit und/oder Alter ist dieser Schritt fast so etwas wie ein „kleiner Tod“.
Was aber vor allem, wie so vieles, an der inneren Haltung liegt. Ins Herz geschrieben ist dem Menschen die Empfänglichkeit für Hilfe, die Offenheit für das Wirken eines Geistes, der nicht aus dem „Machbaren“ entspringt, sondern aus dem Wesensbereich des „Nicht-Wissens“. „Denn wir wissen nicht, worum wir in rechter Weise beten sollen. Und so nimmt sich der Geist unserer Schwachheit an und tritt für uns ein mit Seufzen, das wir nicht in Worte fassen können“ (Paulus im Brief an die Gemeinde in Rom).
Pfingsten ist die Krönung von Ostern. Der durch das Sterben hindurch neu gewordene Mensch ist ein Vertrauender:
Er weiß mit dem Herzen um die Gegenwart des Unendlichen in ihm und in jedem Menschen. Und er sehnt sich danach, diese Verbundenheit zu leben, sich selbst gebend und immer wieder neu empfangend. Empfangend im Atem und in den Ereignissen des Lebens, der Begegnung mit Menschen, der Annahme von Liebe und Hilfe.
Und so steht „hilfsbedürftig“ über der Tür, die in den Raum geistvollen Wirkens hinein führt. Hier aber öffnen sich bisher ungekannte Möglichkeiten: „Im Machen sind wir begrenzt, im Empfangen unbegrenzt“ (P. Johannes).
„Komm, Heiliger Geist“, hängt als Holzbild in unserem Meditationszentrum. Viele Menschen haben hier schon mit Leib und Seele im heilenden Schweigen erkannt, wie sehr „es“ in uns und über uns hinaus atmen will. Immer wieder neu lädt die Atmosphäre des Raumes dazu ein, zu vertrauen, sich helfen zu lassen. Damit sind wir nicht allein. Viele Menschen haben weltweit auf den unterschiedlichsten spirituellen („spirit“ = Geist!) ähnliche Erfahrungen gemacht. Wie gut wäre es, könnten wir diese Kräfte des Miteinanders bündeln und für ein geistvolles, kreatives Zusammenleben in Frieden fruchtbar machen!
Hier ist zunächst jede und jeder in der Situation seines und ihres Lebens gefragt. Und da geschieht viel, wenn wir ehrlich sind und nicht nur auf das schauen, was aus Ego-Sicht als Erfolg zu buchen ist. So viel Herzlichkeit und Zuwendung ist jeden Tag neu offenbar, in so vielen Gesten, Blicken und dem Angebot, zuzuhören. Dennoch: was wir dort „zustande bringen“, erscheint oft mühsam und klein, lässt das Empfinden von Hilflosigkeit zurück. Viele fühlen sich z.B. ohnmächtig gegenüber dem Faktum, dass gesellschaftliche Kräfte sich immer weiter auseinander entwickeln.
Da mag Pfingsten den Blick dafür öffnen, dass wir – jede und jeder in ihrer und seiner menschlichen Würde – mitwirken an einem großen Netz menschlichen Miteinanders.
Die Knotenpunkte dieses Netzes bestehen nicht in erster Linie aus großen Taten; sie werden geknüpft nach dem Maß, wie ein Mensch sich dem Wirken des Geistes in ihm zur Verfügung stellt. Und dann können ganz erstaunliche, unvorhersehbare, wunderbare Dinge geschehen, im Kleinen wie auch manchmal im Großen.
Die frühen Christen sprachen nicht gerne von Wundern. Sie wollten nicht in Verbindung gebracht werden mit Magie und „Schau-Mirakeln“, wie sie in anderen Religionen praktiziert wurden. Und doch gab es sie von Anfang an, die Wunder. Wie es eben in der Pfingstszene berichtet wird: dass Menschen berührt und entflammt werden, sich über Grenzen von Sprache und Herkommen verstehen, sich be-geist-ern lassen für das Leben, heilende Taten und Worte hervorbringen.
All dies wird möglich, wo ein Mensch anfängt, nicht nur mit den eigenen Möglichkeiten zu kalkulieren, sondern sich öffnet für jene Hilfe, die nur darauf wartet, angenommen zu werden.
P. Paul