Heruntergekommen

Heute – am ersten Tag unseres Sesshins – fallen während der Meditation am Morgen Schneeflocken.
Fast weihnachtlich ist es – und das am Palmsonntag.
Doch jenseits jeder April-Laune: Beides gehört zusammen.
Ostern ist die letzte Konsequenz der Menschwerdung, die wir Weihnachten feiern: Die unendliche Wirklichkeit lässt sich eingrenzen in menschliche Gestalt, wird geboren, kommt zu uns herunter.
Es sind die Heruntergekommenen, die sich öffnen für Jesu Botschaft vom Reich der Himmel – sie, die nichts zu verlieren und alles zu erhoffen haben. Sie hören auf ihn und folgen ihm, bis er seine Worte unterschreibt mit der Hingabe seines Lebens im Tod.
„Eine größere Liebe hat niemand, als wer sein Leben hingibt für seine Freunde“, hatte er gesagt. Und er macht es vor. Er stirbt und breitet die Arme aus.
Hingerichtet, verletzt, verleumdet, verkauft, verraten, verlassen.

Warum er so gestorben ist? Musste er das, wollte er das?
Manches lässt sich dazu sagen, aber das Gesagte allein reicht nicht heran an den innersten Kern. Den berührt nur, wer das Faktum, das Geschehene, in Liebe sieht. Wer sich auf das Angebot der Beziehung zu ihm, dem Gekreuzigten, einlässt.
Vielleicht sagt dann die Liebe, dass Jesus so gestorben ist, dass er in jeglichem Sterben dabei ist. Dass er so weit heruntergekommen ist, dass er auch den Letzten erreicht – so weit unten, dass es für keinen Menschen ein „Noch-weiter-unten“ gibt. Dass er derart draußen, ausgeschlossen war, dass sich jetzt niemand mehr als draußen und ausgeschlossen sehen muss.
Dass er das Trennende, die Mauer, niedergerissen hat.

Franz von Assisi nannte dies Demut – den Dien-Mut Gottes, in dem sich menschliche Selbstherrlichkeit umso deutlicher spiegelt. Das Wort Jesu: „Ich bin nicht gekommen, mir dienen zu lassen, sondern um zu dienen.“ findet sich mitten in der Passion, der Leidensgeschichte, als die Jünger untereinander streiten, wer von ihnen der Größte sei. Jesus sagt dies, kurz bevor Petrus dreimal verleugnet, ihn zu kennen, und der Hahn dreimal kräht – so wie Jesus es vorausgesagt hatte, als ihm Petrus vollmundig anbot, sein Leben für ihn einzusetzen.

Das Sitzen in der Stille lässt herunterkommen. Es macht uns bereit, mit leeren Händen zu empfangen, was wir uns nicht selbst geben können.
Dann kann es österlich sein, dass die Welt sich herumdreht: Unten ist nicht mehr unten, Tod nicht mehr Tod, Machtlosigkeit wird durchatmet, Schuldenlast erlassen und befreit.
Die neue Schöpfung ist spürbar da – mitten in unserer Realität. Keine Zauberwelt, keine Illusion – der Auferstandene trägt die Wundmale –, sondern eine Hoffnung, die umso realer wird, je mehr wir uns eins sehen mit allen Heruntergekommenen und je mehr wir uns im heilenden Atem verschenken.

Eine gesegnete Osterfeier wünscht mit allen aus dem Sesshin
P. Paul

Fotos: Inge Hausen-Müller