Göttliche Unterbrechung

Es ist seltsam, wie wichtig es für viele Menschen gerade an Weihnachten ist, dass alles wie gewohnt abläuft: Tannenbaum, Familie, Besuche, Gottesdienst, Essen – ein Fest menschlichen Bemühens um Liebe, Gemeinschaft, Versöhnung, Frieden. Auch Nicht-Christen feiern mit, verstehen, dass es hier um etwas Ur-Menschliches geht, um eine Sehnsucht im Herzen aller. Gleichzeitig leiden gerade an diesen Tagen Menschen, denen es aus irgendeinem Grunde nicht möglich ist, wie gewohnt zu feiern, die vielleicht trauern, allein sind, vor ungelösten Problemen stehen, Konflikte nicht überwunden haben oder von Schmerzen und Krankheit geplagt sind.

Sind wir da nicht näher am Geschehen dran, wenn es einmal nicht wie gewohnt geht? Offener dafür, dass im Geschehen der Geburt Jesu Christi in unserem Fleisch GOTT unser Kreisen um uns selbst radikal unterbricht; offener dafür, dass hier etwas geschieht, was kein Mensch sich ausgedacht hat? Das ist so neu, dass das Unfassbare daran bis heute nicht ausgeschöpft, ja vielleicht nur ganz anfanghaft bei uns angekommen ist.

Gott unterbricht. Mitten hinein in die menschliche Geschichte setzt er einen Neubeginn. Verbirgt sich in menschlicher Gestalt. Zeigt sich so anders, als Menschen ihn abbilden, ihn gerne hätten. Stellt unser Weltbild auf den Kopf oder besser: auf die Füße. Lässt sich eingrenzen und macht die Grenzen transparent, durchsichtig für das Grenzenlose.

Lässt sich ein Mensch auf diese göttliche Unterbrechung ein, geschieht Ungeheures. Es kann wie ein Sonnenstrahl sein, welcher die Wolken aufreißt und die Welt in neuem Licht erscheinen lässt.

Unterbrechungen gab es viele im zu Ende gehenden Jahr 2016: im Programm LEBEN AUS DER MITTE, im persönlichen Erleben, in politischen und gesellschaftlichen Ereignissen, in der Atmosphäre menschlichen Miteinanders. Sind solche unerwarteten Unterbrechungen nicht ein deutlicher Fingerzeig? Oder erwarten wir immer noch die Zuversicht für das Leben aus dem geregelten Lauf der Dinge?

Wenn Menschen sich zur Meditation setzen, sich dem Atem überlassen, sich der unendlichen Liebe anvertrauen, dann lassen sie los, geben sie Kontrolle ab, unterbrechen ihr aufs Tun und Funktionieren ausgerichtetes Leben. Mehr und mehr übernimmt der „innere Meister“ die Führung, wird eine Kraft lebendig, welche durch alle Ohnmacht und Grenzen hindurch strahlt. In dieser Unterbrechung liegt die Chance zu einer neuen Zuversicht, für die das Kind in der Krippe Sinnbild ist.

Ich wünsche uns von ganzem Herzen, dass dieses Vertrauen uns als größte Gabe der Weihnacht geschenkt wird und wir so befähigt werden, von innen her zu verstehen, was unerwartete Geschehnisse uns sagen wollen.
In den letzten Tagen des Jahres bis zum Beginn von 2017 werden wir in großer Gemeinschaft des Silvester-Sesshins auf die Stille hören.
In den ersten Minuten des neuen Jahres feiern wir Kommunion, das Einswerden mit uns selbst und mit Gott. Und legen alle Unwägbarkeiten in Seine Hände.
Komme, was mag.

P. Paul

 

Fotos: Inge Hausen-Müller