Gemeinschaft aus der Mitte
Gerne stelle auch ich – wie Peter Sommer im voran- gegangenen Impuls – meinen Beitrag unter das Leitmotiv Herzlich.
Porta patet – magis cor = Die Tür steht offen, das Herz noch mehr, so heißt ein altes kostbares Wort über die Gastfreundschaft. Tür und Herz stehen hier für Offenheit im Miteinander, für die Bereitschaft, sich füreinander aufzuschließen, sich einander mitzuteilen.
Von hier geht der Blick in diesen Tagen vor Ostern zum Kreuz hin: In der Situation äußerster Verlassenheit und Feindseligkeit öffnete der Gekreuzigte sein Herz in unvorstellbarer Weise für alle Menschen, alle Generationen. Davon geht eine Kraft, eine Möglichkeit der Versöhnung aus – selbst da, wo alles “verfahren” scheint und Ver-zwei-flung droht.
Am Beginn und am Beschluss unserer Übungspraxis sind wir eingeladen, uns mit dem Grundgebet in das Lebensgeheimnis des Kreuzes, in Tod und Auferstehung einzulassen. Es ist in dreimaliger Ansprache der unendlichen Liebe eine starke Motivation für die Übung des Vertrauens, die wohl jeden, der sich entschieden auf diesen Weg einlässt, an die Grenzen des Machbaren führt.
Das Feuer des Grundgebetes will Grenzen des Vertrauens verbrennen und will bereiten, sich in die unendliche gottgeeinte Wirklichkeit unseres wahren Selbst einzulassen. Der Stoff, aus dem wir gebildet sind, duldet keine Grenzen”, schreibt P. Johannes. Im Kreuz geht es nicht um das, was wir machen, sondern worum wir bitten können. Auf dem Weg zu mir selbst begegne ich im Lassen meiner selbst einer unfassbar herzlichen Liebe, die alle Vorbehalte verbrennt. Wenn ich die Einladung des Kreuzes annehme, mich selbst im Gekreuzigten zu sehen, dann wird mein Inneres weit – und ich habe keinen Grund mehr, irgendjemand “außen” anzuklagen oder zu verurteilen.
Das Kreuz lädt damit auch zu einem neuen Miteinander ein. Denn das neue, österliche Leben ist ja bereits in der Lebenshingabe Jesu verborgen da. Im Geschehen des Kreuzes wird wahr, was seit Beginn über dem Programm Leben aus der Mitte steht: “Christus ist in euch, die Hoffnung auf Herrlichkeit.” Seine sich verschenkende Haltung wird Gegenwart, wird Realität in allen, die sich von ihm berühren und verwandeln lassen.
Daraus wächst eine neue, tief begründete Solidarität: Die eigene Erfahrung des MEHR, das jeder Mensch weit über sein Tun und seine Fehler hinaus ist, will sich mitteilen. Viele Menschen sehnen sich danach, jemand zu haben, um über die eigene tiefste Sehnsucht sprechen zu können, weg von der Sinnarmut oberflächlichen Geschwätzes. Im Mitteilen des Eigenen – auch das ja ein Akt des Vertrauens, ganz konkret gegenüber dem, mit dem ich teile – entsteht Gemeinschaft im Wesen.
In einer solchen Lebenskultur, die aus der vertrauenden Hingabe in der Stille wächst, wird nicht immer ein Gespräch möglich sein, immer aber die Haltung des offen stehenden Herzens. Im gemeinsamen Schweigen, in der Geste, im Wort.
P. Paul