Feuer

Wie gut, dass wir beginnen konnten: Seit Christi Himmelfahrt ist unser Zendo wieder offen für Abend-Meditationen und den monatlichen Zazenkai. Mit Sesshins gilt es noch abzuwarten bis nach den Sommerferien. Das Kardinal-Hengsbach-Haus bleibt bis dahin geschlossen, um wichtige Brandschutz-Maßnahmen umzusetzen. Dabei gibt es einen Brand, vor dem wir uns nicht schützen können und nicht schützen sollten:

Ein Wort Jesu lautet: Wer mir nahe ist, ist dem Feuer nahe.
Da spricht der, welcher von sich gesagt hat, er sei gekommen, Feuer auf die Erde zu werfen. Dieses Feuer, das dann zum Zeichen jenes Geistes geworden ist, das die Menschen entflammt hat. Wie können wir dieses Feuer entdecken? Wo brennt es?

Ein Koan, das mich seit vielen Jahren begleitet, geht in eine ähnliche Richtung: Lösche das weit entfernte Feuer! Wie kann ich ein Feuer ausmachen, das gar nicht in meiner Reichweite ist? Aber geht es hier um irgendein Feuer? Ist die Glut dieses Feuers wirklich außerhalb von mir? Gibt es überhaupt ein „außerhalb von mir“? Geschieht nicht alles, was sich ereignet, in mir? Brennt also nicht das Feuer in mir? Kann ich dieses Feuer löschen?

Wenn ich es könnte, wären wir ja getrennt, das Feuer und ich. Wenn wir nicht getrennt sind, wird jeder Versuch, das Feuer zu löschen, mich noch mehr dem Feuer nahe bringen.
Bis dieses Feuer und ich eins sind.
So in Einheit, dass alles von mir verbrennt.
Was aber bleibt, wenn ich ganz verbrannt bin?

Pfingsten feiern – das ist nicht harmlos, eher brandgefährlich. Feuerzungen ließen sich auf jedem und jeder nieder, heißt es in der Bibel. Von jetzt an waren sie nicht nur mit Wasser, sondern mit Feuer getauft. Begeistert von einer Liebe, die wie der Atem durch den Menschen hindurch strömen und andere anstecken will. Diese Liebe ist keine fromme Idee, kein leeres Versprechen – sie ist konkret, leiblich spürbar. P. Johannes, der nur ganz schwer mit Situationen der Kälte zurechtkam, sagte wiederholt, dass er sich bei der Meditation in die herzenswarme Atmosphäre unendlicher Liebe setze.

Alle Aktivität, die Menschen hilft und gut tut, kommt aus dieser Erfahrung. Anders kann es nicht sein – nicht bei Kindern und auch nicht bei Erwachsenen. In der Meditation machen wir uns bereit dafür, dass die Glut in uns entfacht wird, ähnlich wie vor über 2000 Jahren die ersten Christen. Sie hatten sich mit Maria, der Mutter Jesu, versammelt im Gebet. Maria als erfahrene Frau, die ihr Leben ganz dem Wirken des Geistes geweiht hatte.
Diese Szene ist ein wichtiges Bild für Gemeinschaft, Kirche, Sangha, Kommunion. Gemeinsame Stille lässt ein Miteinander entstehen, in dem jede und jeder dem Feuer nahe ist. Oder anders gesagt: Sich selbst nahe ist.

Eine Fotografie vom Osterfeuer des letzten Jahres hängt an meinem Platz der Meditation. Es erinnert mich und zeigt mir, was ich tue, wenn ich mich setze: Ich lasse mich durchdringen von der Feuer-Liebe, die alles erschaffen hat und am Leben hält. In der Hoffnung, dass all mein Tun und Nicht-Tun zum Entstehen der neuen Schöpfung beiträgt.

Ich wünsche uns allen von Herzen das Feuer des Geistes!
P. Paul

Fotos: Inge Hausen-Müller