Da hat es einer gezeigt
Was?
Was jeder kann.
Was jeder kann, mehr als er weiß: Jeder Mensch verfügt über eine Segenskraft, die sich vermehrt, wenn er sie einsetzt.
Andererseits lese ich bei Bert Brecht in “Leben des Galilei”: “Niemand unter den Sterblichen ist ja so groß, dass er nicht in ein Gebet eingeschlossen werden könnte.”
Jeder-Mann und Jede-Frau kann es und verfügt über eine Segenskraft, die sich vermehrt, wenn man sie einsetzt.
Das hat einer gezeigt in einem geschichtlichen Moment, und ich meine, er hat damit eine Schatzkammer geöffnet, aus der noch unentdeckte Schätze für die Menschheit gehoben werden. Schätze – oder besser gesagt: Kräfte des Friedens.
Ich meine, das kann man sagen von dem Moment, als Papst Franziskus als eben Erwählter vor die Menschen trat, die allen seinen ersten Segen erwarteten. Meines Erachtens war sein erster Segen die Bitte: “Beten sie für mich.” Und er verneigte sich vor den Vieltausenden, um den Segen dieses Gebetes zu empfangen und um danach als so Gesegneter seinen ersten Segen zu geben. Bei seinem feierlichen Amtsantritt am 19. März beschloss er wiederum seine Ansprache mit der Bitte: “Beten sie für mich.”
Diese Bitte ist – meines Erachtens – der größte Segen, mit dem bisher ein Pontifex sein Amt übernommen hat. Diese Bitte ist eine Botschaft für unsere Zeit. Jeder-Mann und Jede-Frau ist ermächtigt und beauftragt, für seine Mitmenschen zu beten und damit für sie zum Segen zu werden.
Der Segen, den ein Mensch gibt, kommt auf ihn zurück.
Im anderen segnet jeder Mensch sich selbst.
Dem anderen zum Segen zu werden, geschieht gleichzeitig im Eins-Werden mit der eigenen Wesensnatur.
Ganz einfach: Je mehr ein Mensch eins ist mit sich selbst, umso mehr wird er zum Segen für seine Mitmenschen. Und ebenso: Je mehr ein Mensch zum Segen werden will, umso mehr wird er eins mit sich selbst.
“Beten sie für mich.” Wer das sagt, der weiß, dass wir einander brauchen und einander geben können, wessen wir bedürfen. Wer das sagt, der gibt denen, die er darum bittet, das Wertgefühl und die Befähigung, zu geben.
Wir sind in unserem Wahren Wesen einander Helfende, und wir können umso mehr helfen, als wir eins sind mit uns selbst.
Das Tiefste was wir mit unserem gottgeeinten Wahren Wesen erkennen und erfahren dürfen, sind Liebe und Erbarmen. Vielleicht kommt es uns nicht leicht ins Wort, dass wir sagen können: “Beten sie für mich.” Es ist ja auch eine Frömmig- keitsform, die einem im Alltag Ernüchterten nicht gemäß erscheint. Leichter ist es zu sagen: “Drück mir den Daumen.” Auch das kann so gesagt werden wie die Bitte “Bete für mich.” Und schließlich müssen es auch nicht Worte sein.
Auch mit Blicken kann man bitten und geben.
Auf einem Kalenderblatt lese ich: “Lass nicht zu, dass Du jemandem begegnest, der nicht nach der Begegnung mit dir glücklicher ist.” Bitten und Geben geschehen nicht nur in Worten, sondern immer in der Weise, wie ich da bin. Bitten und Geben müssen in die Situation hineinpassen. Wenn wir wesensgemäß da sind, sind wir immer situationsgemäß empfänglich und gebend.
Papst Franziskus war situationsgemäß und wesensgemäß da, als er bat: “Beten sie für mich.”
Vielleicht ist dies die eigentliche Botschaft: Sei immer möglichst wesensgemäß da, so immer empfangend und gebend.
So möchte ich jetzt, da ich dies schreibe und da Sie dies lesen, da sein.
P. Johannes