Allerheiligen – Allerseelen

“Mit ihnen lass auch uns – wie du verheißen hast – zu Tische sitzen.”

allerh11_01Das ist eine Bitte in der Feier der Eucharistie im Gedenken an die Verstorbenen. Sie regt meine Phantasie an und lässt mich fragen, was wohl mit dieser Bitte gemeint ist. Mit den Verstorbenen zu Tische sitzen, wie soll das gehen?

Soviel lässt sich sagen, dass dies eine symbolische Benennung ist, für eine Gemeinsamkeit, die ihren Ausdruck findet in einem festlich frohen Miteinander bei Tisch. Können wir ein Miteinander mit unseren lieben Verstorbenen erfahren?

In einem Sesshin, das wir vor einigen Tagen beendet haben, fühlte ich mich in der Feier der Eucharistie bei diesem Gedenken an unsere Verstorbenen sehr berührt. Ich hatte keine Vision und auch kein spektakuläres Erlebnis, aber ich fühlte mich – wie gesagt – sehr berührt. Gibt es dafür eine Erklärung?

In einem Sesshin ist das Programm sehr sorgfältig so angelegt, dass man aus der Zerstreuung zur Sammlung, dass man zu sich kommt, in sich geht, sich in seinem Innern fühlt, wie es geschehen kann, wenn man mit seinen Gedanken zur Ruhe kommt. In Fühlung mit sich erfährt man sich anders, als wenn man über sich nachdenkt.

Auf diesem Weg kann man zu einer Erfahrung kommen, in der man die Wirklichkeit in sich findet, wie sie dem Verstand nicht zugänglich ist.In unserem eigenen Wahren Wesen finden wir uns als Ganze.

allerh1a_01Als Ganze finden wir uns nicht nur in unserem Zeitlichen. Es ist etwas in uns, das nicht stirbt. Dafür gibt es keinen Beweis, aber es gibt eine Erfahrung, die bis zur Gewiss- heit erlebt werden kann. Wenn wir so in Berührung kommen mit dem Ewigen in uns – in Herzberührung, dann finden wir uns auch in einer Gemeinsamkeit mit unseren Lieben, die bereits im Ewigen sind. Wir können die Toten lieben in einer wahren Beziehung. Diese Liebe kommt an – im Geben und Empfangen.

Wir können diese Gemeinsamkeit mit den Verstorbenen intensivieren mit gleichzeitiger Intensivierung unserer Beziehung zu uns selbst: mit der Annahme unseres eigenen Todes, mit der wir unser eigenes Leben ver- lebendigen und intensivieren. Wie wir diese Annahme als Selbstannahme werten sollen, sagt der verstorbene Bischof Klaus Hemmerle: “Wer mit seinem eigenen Tod nicht lebt, der lebt nicht mit seinem Leben.

Wir können unsere Beziehung zu den Verstorbenen leben und ihnen alles Gute, das Allerbeste und Schönste wünschen und für sie beten. “Nimm sie auf in deine Herrlichkeit” bete ich für sie in der Feier der Eucharistie und gleichzeitig auch für uns, unsere innige Gemeinschaft mit ihnen, symbolisch ausgedrückend: “Und mit ihnen lass auch uns, wie du verheißen hast, zu Tische sitzen in deinem Reich.” Das ist auch eine Menschheitserfahrung, dass wir in Herzberührung mit dem Ewigen in uns die Grenzen der Zeit überschreiten und bereits jetzt schon mit denen, die uns vorangegangen sind, eine Gemeinsamkeit erleben.

allerh1d“Allerheiligen” ist ein Fest unserer Beziehung zu verschiedenen Heiligen – zu denen, deren Namen ich finde im offiziellen Heiligenkalender. Ich habe aber auch meinen inoffiziellen Heiligenkalender. Da sind die Namen derer, für deren Heiligsprechung ich selbst zuständig bin.

Da ist meine Mutter, die für mich größte Kirchen- lehrerin. Sie lehrte mich glauben und beten. Da ist Fräulein Fuchs, die Klassenlehrerin meiner ersten drei Volksschuljahre. Viele Lehrer auf meinem Lebensweg. Dazu gehört der Japanmissionar Pater Enomiya Lassalle, der mich auf den Weg der Zen-Kontemplation brachte. Mein Zen-Meister Yamada Roshi, der mir das Lebenskoan gab: “Du musst verwirklichen, dass Jesus Christus in Dir ist.” Da sind Freunde und Weggefährten.
Da sind alle, die ich meine mit der Bitte: “Und mit ihnen lass auch uns, wie du verheißen hast, zu Tische sitzen in deinem Reich.”

P. Johannes

Fotos: Inge Hausen-Müller

Fotos: Inge Hausen-Müller