Der 6. August ist und bleibt für das Programm „Leben aus der Mitte“ ein wichtiger Jahrestag. Vor nunmehr 80 Jahren tötete und verletzte die Atombombe in Hiroshima mehrere Hunderttausend Menschen. Yamada Roshi und P. Lassalle, die beide mit den Anfängen des Meditationsprogramms verbunden sind, trugen fortan dieses Erleben in ihrem Körper und ihrem Geist. Immer wieder erinnerte P. Johannes Kopp, der Gründer des Programms, dass auch bei ihm das Erleben der Schrecken und der Verzweiflung im zweiten Weltkrieg zu der brennenden Suche nach einem neuen Bewusstsein für den Frieden geführt hat. Er stellte dabei die Verbindung her zur Feier der „Verklärung“ Christi, die nach dem Kalender der katholischen Kirche auf denselben Tag, den 6. August, fällt. Und so wird auf dem Altarkreuz der durch die Initiative von P. Lassalle erbauten Weltfriedenskirche das gleißende Licht der Bombe gewandelt zum Lichtglanz, in dem die Jünger auf dem Berge Tabor sich in der Einheit mit Jesus Christus erleben.
Was bedeutet diese ErINNERung in unserer Zeit, in der militärische Konflikte mehr und mehr als unausweichlich gelten und auch Europa nach einer langen Friedenszeit auf den nächsten Krieg „eingeschworen“ wird? In der wieder leichtsinnig mit Atomwaffen gedroht wird? In der Milliarden anstatt für Medizin und Hungerbekämpfung in die Auf- und Hochrüstung gesteckt werden? In der, um dies zu realisieren, immense Schulden aufgenommen werden, die von kommenden Generationen zu schultern sind?
Oremus pro pace mundi – beten wir für den Frieden in der Welt, so steht es auf der Grab-Plakette von P. Lassalle. Ich möchte gerne das „beten wir“ herausholen aus dem zu engen Raum gesprochener Gebete. Es geht um mehr, es geht um die Weise, wie wir leben. Es geht um die Wirklichkeit, dass der Mensch in seinem Wesen ein Potential zum Frieden trägt, das unerschöpflich ist und das darauf wartet, realisiert zu werden; ein Schatz, der gehoben werden will. Und so könnte die Aufforderung lauten: Meditieren wir für den Frieden, atmen wir, gehen wir, denken und sprechen wir, arbeiten und ruhen wir, beten und vertrauen wir, lachen und weinen wir, leben und leiden wir….. für den Frieden in der Welt.
So wie jeder Mensch diese Wesens-Kern-Energie zur Versöhnung der Gegensätze in sich trägt, so dürfen sich Zen-Christen in besonderer Weise angesprochen wissen. Der buddhistische Zen-Meister Yamada war bereits in den 60er/70er Jahren des letzten Jahrhunderts offen dafür, dass Europäer und Christen authentisches Zen üben, und das war in diesen Jahren keineswegs eine Selbstverständlichkeit! In der Begegnung mit seinen SchülerInnen im Dokusan sprach er von der Vision, dass die Religionen im Miteinander einen Beitrag leisten können für den Frieden. Dies geschieht, wenn Religiosität, Gottes-Verbundenheit und Gottes-Liebe zur Hin-Gabe wird, Pro-Existenz, zum Leben FÜR die Menschen.
Kein Mensch weiß, wie viel Gutes, Versöhnendes dort geschieht, wo jemand an diese Kraft in sich selbst glaubt, an dieser „Schraube“ in sich dreht, die Situationen seines Lebens dazu nutzt, die Quelle in sich fließen zu lassen. Im Unendlichen – und der Mensch ist Unendlichkeitswesen! – gilt nicht der kleine Maßstab dessen, was wir für möglich erachten, was wir sehen und als Erfolg bewerten. Oft sind es Einzelne gewesen, welche unter Einsatz ihres Lebens Türen geöffnet haben, durch die dann unzählig viele gegangen sind. Wenn wir uns in der Meditation versenken, unser kleines Ego vergessen, dann schimmert vielleicht ein Licht davon auf, dass der Friede in uns sich mitteilen will und sich mitteilt. Ganz gewiss.
Wir begleiten Sie in die Stille – heißt es auf unserer Homepage, die im Laufe dieses Jahres ein neues Gewand bekommen soll. Viele Menschen haben Angst vor der Stille, dem Nicht-Lauten; vielleicht, weil sie intuitiv wissen, dass sie darin mit Altlasten des Lebens, mit Ressentiments, Vorwürfen, Anklagen und Verletzungen konfrontiert werden. All dies lässt sich ja nicht einfach „weg-schweigen“.
Gleichzeitig gilt: Wir sind dem gegenüber nicht machtlos! Es ist wie mit körperlichen Schmerzen. Ich brauche den Mut, mich ihnen liebevoll zuzuwenden und, das ist in der Stille eine wunderbare Möglichkeit, hinein zu atmen. Oftmals verändert sich dadurch schon etwas: Auch wenn vielleicht der Schmerz nicht weg ist, verliert er seinen aggressiven, mir entgegen stehenden und damit „störenden“ Charakter. Der Atem ist eine Kraft, ist Balsam, ist Veränderungs-Potential. Es ist gut, sich dies einmal wieder neu in Erinnerung zu rufen, gerade jetzt im Vorfeld von Pfingsten, der Feier des Atem-Geistes Gottes in uns.
Der Atem ist Gabe: Darin empfängt sich und gibt sich der Mensch. Von Gabe und Geben weiß auch das schöne Wort „Ver-Gebung“. Das lateinische Wort für „Gabe“ = „Donum“ steckt auch im französischen „Pardon“ genau wie im englischen „forgive“ und im italienischen „perdono“. Im Verzeihen gibt sich der Mensch, gibt sich hinein in das Leben, löst entstandene, Schmerzen verursachende Spannungen und Knoten auf. Die Autorität dazu ist schlicht und einfach durch das Mensch-Sein gegeben: sich selbst und anderen zu vergeben ist eine reale Möglichkeit, zunächst einmal unabhängig davon, ob ein Mit-Mensch dies annimmt, erwidert oder nicht.
Der auferstandene Jesus Christus haucht (nach Johannes Kapitel 20) seine Jünger an und trägt ihnen auf, dass sie Schuld vergeben, lösen, befreien sollen. Ich verstehe als Adressaten dieses Auftrags nicht nur die kirchlichen Amtsträger, ich verstehe diesen Auftrag an jeden Christen und darüber hinaus gerichtet. Wie viel Gutes kann geschehen, wenn Meditierende sich dieser „Sendung“ bewusst sind und anfangen, die eigenen Verletzungen anzuschauen und zu vergeben: angefangen mit der Vergebung bei sich selbst bis hin zu den Mitmenschen, die vielleicht aus dem eigenen Lebenshorizont verdrängt wurden, weil (manchmal ur-alte) Vorwürfe im Raum des Bewusstseins stehen geblieben sind.
Mit diesen Menschen eins zu werden ist vielleicht schwerer, als das nächste Koan zu lösen. Gleichzeitig ist oft die Konsequenz, dass das Sitzen tiefer und friedvoller wird, der Blick klarer. Und vielleicht ist damit auch der Grundstein dafür gelegt, dass es irgendwann zu einem Gespräch, einer Begegnung kommen kann, die das Geschehene noch einmal in ein neues Licht rückt.
Keinesfalls möchte ich durch diese Zeilen leugnen oder verharmlosen, was wir Menschen einander antun, welche Verletzungen wir uns zufügen können. Und manchmal wird es auch fachlicher Hilfe bedürfen, daran zu arbeiten. Das Sitzen in der Stille setzt jedenfalls Kräfte frei, in eigener Vollmacht aus der Opferrolle hinauszugehen. Denn es kann nicht zur menschlichen Bestimmung gehören, ein Leben lang von in der Vergangenheit Geschehenem sich blockieren zu lassen; sich beeindrucken zu lassen von den inneren Stimmen, die immer wieder Urteile fällen, über andere und über mich selbst.
Diese Urteile loszulassen – das ist ein Ver-Geben, ein Sich-Geben, ein Lassen und Annehmen im Atem. Es ist Geschenk und zugleich menschliche Möglichkeit, es zuzulassen. Dass dies geschehen möge, wünsche ich uns herzlich – gerade jetzt in der Zeit, da an den kommenden Feiertagen wieder viele von uns sich dem Schweigen überlassen werden: Christ Himmelfahrt und Fronleichnam in Meschede, Pfingsten in Rom und Vallendar sind wir verbunden.
….und euer neues Leben ist mit Christus verborgen in Gott.
Was ist gemeint, wenn sich dieser biblische Text aus dem Brief an die Gemeinde in Kolossä (Kleinasien / Phrygien) offensichtlich an Menschen richtet, die sich ihres Lebens freuen?
„Sterben“ soll hier an die Taufe erinnern, deren Ritus des Ein- und Auftauchens ein sprechendes Symbol für menschliche Transformation, für Neu-Werden ist. Die Taufe wurde am Anfang der Christenheit an Ostern gespendet. Dies war der einzige jährliche Tauf-Termin, auf den hin sich Taufbewerber („Katechumenen“) über eine lange Zeit vorbereiteten. Taufe – nicht nur einmal im Leben, sondern als Haltung immer wieder, täglich neu – ist also verbunden mit Ostern. Wir sind, heißt es im Römerbrief, auf seinen – Christi – Tod getauft. „Sein Tod soll mich prägen“, sagt Paulus im Brief an die Philipper. Im „Untergehen“ ist die Tür geöffnet, Christus „gleichförmig“ zu werden, mit ihm das Geheimnis des unendlichen Gottes zu „schmecken“.
Foto: Pixabay
Für meditierende Christen kann dies eine unüberbietbare Motivation sein, sich „gründlich“ zu setzen, ganz einzutauchen in die Stille, die Angst vor dem sprachlosen Dunkel zu überwinden, das vorgestellte Ich aufzugeben. Gerade hier, davon zeugen viele Erfahrene, gilt: Wer gibt, empfängt. Wer sich selbst gibt, empfängt über alle Maße, jenseits alles Messbaren.
Unfassbar – und doch so konkret!
Wie lässt sich diese lichtvolle Weise des Auftauchens, die helle Seite von Ostern erklären? Hier sind alle spirituellen Traditionen zurückhaltend, vorsichtig, zögernd. Mit gutem Grund, denn das Neue lässt sich nicht in Worten eingrenzen. So heißt es schon in der frühesten Oster-Erzählung, dass die Frauen vom leeren Grab wegliefen und niemand etwas davon erzählten. „Schrecken und Außer-sich-Sein hatte sie ergriffen“ angesichts dessen, was sie erleben und erfahren durften.
Außer sich, außerhalb des Bekannten und Begriffenen: Es hat zu tun mit Leben in Fülle, mit bedingungs- und fraglosem Leben mitten in der Welt, mitten in allen Begrenzungen. Es geht darum, die grenzenlose-liebevolle Wirklichkeit in allen und allem wahrzunehmen und (nur so ist das möglich) dabei dem eigenen, kleinen Ego weniger Raum zu geben. Mit allen Konsequenzen: Es ist wie eine wirksame Medizin gegen die verbreitete Unsicherheit unserer Tage, gegen die Suche nach Halt in der Abgrenzung, bei angeblichen Hoffnungsträgern, die schnelle Lösungen versprechen. Eine Medizin gegen den Kommunikations-Stil von Aktion und Reaktion, der oft nur in Anklage und Selbstverteidigung besteht.
Das Schöne ist: Diese Medizin liegt bereit, in der täglichen Übung des Sterbens und Lebens, im Eintauchen in die Stille, in der Feier von Ostern. Und: Diese Medizin hat erwünschte Neben-Wirkungen, erfahrbar in einem Sesshin, aber nicht nur da. Je mehr ein Mensch sich in der Stille gibt, darin „eintaucht“, desto mehr wird er / sie zu einer Motivation für die anderen, die daneben Meditierenden. Ganz ohne Worte. So gehören das IN des Schweigens und das FÜR die Menschen zusammen.
Dass Ostern so zu einem Geschehen in uns werde, wünscht Ihnen allen, verbunden mit allen Teil-Nehmern und -Gebern des Sesshins in der Karwoche,
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