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Neu werden aus dem Grund

weih-14-1_01Es sind dunkle Tage, die zur Weihnacht hinführen. Oft wird es gar nicht richtig hell. Und für einige Zeit scheint es, als ob die Uhr still stehen würde – bis dann die Wintersonnenwende ganz, ganz langsam wieder mehr Licht bringt.
Es ist, als ob wir eingeladen wären, das Nicht-Sehen zu üben, den Grund unserer Existenz in seinem dunklen Geheimnis zu berühren, ihm nahe zu kommen.
Dass der Mensch sich gründlich spürt, dazu laden wir im Programm der Zen-Kontemplation ein. Nur wenn wir der Sache des Menschseins auf den Grund gehen, sind wir wohl den Herausforderungen unserer Zeit gewachsen, sind wir gegen die Versuchungen von Gleichgültigkeit und Resignation gewappnet.
Gott hat es uns vorgemacht: In der Menschwerdung hat er alle Abgründe ausgelotet, die unser Leben je schrecken können. Seit Weihnacht ist er anwesend im Grund.
Gott in der Tiefe. Geweihte Nacht. Licht in der Finsternis.

weih-14-4Das Geschenk dieses Ereignisses erahnt wohl nur, wer einmal ganz tief unten war oder ist. Dazu kann es viele Motive geben: gewollt oder vom Leben zugemutet.  Manchmal geschieht es, dass beides zusammenkommt: das Ereignis und die Offenheit dafür, darin sich nahe zu kommen. Dann kann es geschehen, dass – vielleicht nur für einen Moment – sich Angst und Schrecken, Not und Ausweglosigkeit auflösen – ohne äußeres Motiv, einfach so. Wie nach einer Zeit der Stille nach außen hin alles noch so ist wie vorher – und doch ein kleiner Schritt auf einmal möglich ist. Und Neues, nie Gedachtes, sehnsuchtsvoll Erhofftes, zaghaft noch – aber doch möglich wird.

Der Grund ist die Krippe und das göttliche Kind der Neubeginn. Im Grunde ist jeder Mensch fähig, im Vertrauen neu zu beginnen. Den unendlichen Gott in sich Gott sein zu lassen, sich zu befreien aus dem Netz von Gewusstem und Bekanntem. Der Gottesgeburt, der Hochzeit im eigenen “silbernen Wassergrund” (Silja Walter) zuzustimmen. Sich dem Stern des eigenen Wesens zuzuwenden und ihm zu folgen: Heute ist euch der Retter geboren. Heute bist du, Mensch, neu geboren.
Dieses Heute hat kein Datum. Es ist Jetzt.

weih-14-2_01Selten im Jahr werden so viele gute Wünsche ausgesprochen wie zur Weihnacht und zum Neuen Jahr. Wie viel Wissen um das, was man sich nur wünschen, aber nicht machen kann, liegt doch in uns! Die Kraft der Stille bestärkt dies. Mehr noch, sie ruft uns auch in die Verantwortung, mit jedem Wunsch, den wir aussprechen, das Vertrauen zu verbinden: “Es möge dir geschehen!”

Viele Kursteilnehmer haben sich in den letzten Wochen in Sesshins eingelassen auf das Spüren des Grundes. Über die Festtage wird wieder ein Kurs in Vallendar stattfinden – in besonderer Prägung durch Ort und Zeit.

Wir alle wünschen Ihnen von ganzem Herzen weihnachtliche Festtage, welche die Kraft zum Neubeginn wecken über alle unsere bisher gesehenen Möglichkeiten hinaus. Denn bei Gott, denn in unserem Wahren Wesen, ist nichts unmöglich.

P. Paul und P. Johannes

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Fotos: Inge Hausen-Müller

Advent – Bleibe ja nicht stehen!

adv2014-4Ein Symbol in Tagen der Stille, das niemals fehlen kann, ist das Feuer. “Wohltätig ist des Feuers Macht, wenn sie der Mensch bezähmt, bewacht”, sagt Schiller.
Bezähmt und immer bewacht ist das Feuer der Kerze. Was da bezähmt und bewacht wird, ist das Feuer mit dem unheimlichen Selbstbewusstsein: Ich kann auch ganz anders – Feuer!
Feuer, der Sieg gegen die Finsternis, ungezähmt, ist auch die immer gefürchtete Zerstörung: Auch das bescheidene Flämmchen einer Kerze kann sein potenzielles “Ich-kann-auch-ganz-anders” nie verheimlichen. Das Spiel mit dem Feuer hat seinen unüberwind- lichen Reiz.
Gegenüber der Macht des Feuers sieht sich der Mensch als der Stärkere – aber nur als der Wachsame und immer auch Ängstliche: Geh’ nie aus dem Raum, ohne das unheimliche Flämmchen zu löschen. Ich spreche aus Erfahrung: Nach anspruchsvollem Gespräch vergaß ich, das kleine Flämmchen des Adventskranzes zu löschen. Nach einigen Stunden kam die Feuerwehr.

adv2014-3dFeuer ist auch Licht. Inzwischen können wir unseren Lichthunger im Anschluss an das Stromnetz auch ohne das immer unheimliche Flämmchen löschen:

So bekommen wir ohne die Nebeneffekte des Feuers ganz ungefährlich die Befriedigung unseres Licht- hungers. Der wird in dekorativer und bisweilen sogar in künstlerischer Gestaltung gestillt – und wir bleiben doch im Ungenügen. Hunger und Durst nach Licht können im äußeren Überangebot nicht gestillt werden. Der Mensch kann in den adventlichen Lichtern in Straßen, Schaufenstern und Verkaufshallen das Licht nicht so finden, dass es ihn sagen lässt: “Da ist mir ein Licht aufgegangen.”

adv2014-5Dieser Frust ist gut, denn der innere Navigator weist den Weg zu einem anderen Licht. Der Mensch ist das einzige Wesen, das sich seines Innen bewusst ist und sich mehr und mehr bewusst werden muss, damit für ihn alles menschlich zugeht. Sich seines Innern bewusst zu sein und sich dafür verantwortlich zu wissen, ist sein wichtigstes Bildungsprogramm.

Advent mit den vielen Lichtern soll erfreuen, aber auch frustrieren – und die Frage verstärken: Was ist mit mir?
Das Licht da und dort in Figuren und Nuancen, das ist gut und schön – aber wie finde ich es in mir? Es soll mich sehnsüchtig machen und feinhörig für die Weisung und Warnung: “Freund, so du etwas bist, bleibe ja nicht stehen. Du sollst von einem Licht fort in das andere gehen.”
Wie, wie, wie?
Ich möchte von ganzem Herzen diese Frage intensivieren in der Gewissheit: “Wer sucht, der findet.”

In unserem adventlichen Sesshin vom 5.-10. Dezember schauen wir auf unseren inneren Navigator, und wir möchten uns mit Ihnen angestrahlt sehen und uns finden lassen von diesem ganz wirklichen Licht von innen. Aber bitte – zugleich im Blick und in Fühlung nach außen mit dem innigsten Wunsch: Das, was uns da zugutekommt, möge allen und besonders Ihnen, unseren Freunden, geschenkt werden.

So auch in der Umkehrung: Was Ihnen zugutekommt, möge uns im Sesshin und im Sesshin ohne Ende im Innersten bestärken und erhellen.
Wir  sitzen alle in einem Boot – und jeder rudert an seiner Stelle

P. Johannes

Fotos: Inge Hausen-Müller

Kontemplativ leben

merton1Im kommenden Januar jährt sich zum 100. Mal der Geburtstag von Thomas Merton. Es lohnt sich, an ihn zu erinnern – hat er doch sein ganzes Leben der Suche nach der Verbindung von Meditation und Alltag, Kontemplation und Aktion gewidmet. Für viele Menschen war und ist er Sprachgeber der eigenen Sehnsucht nach Ganzheit, nach Lebensfülle aus dem Schweigen.

1915 in Frankreich geboren, wuchs er in den USA auf, wandte sich während seiner Literatur-Studien der katholischen Kirche zu und trat dann, einem inneren Ruf folgend, ins Kloster Gethsemani der Trappisten (eine besonders strenge Richtung der Karmeliten) in Kentucky ein. Von dort, aus der Stille und dem Leben in monastischer Gemeinschaft, vernetzte er sich über Briefe und Veröffentlichungen mit vielen Großen der damaligen Politik, Gesellschaft und Kirche.

merton2Schon sehr früh interessierte er sich für die Religionen des Ostens. Der Zen-Weg war ihm vertraut und gehörte, laut eigener Aussage, ganz selbstverständlich zu seinem Leben. Er sah darin viele Parallelen zu Erfahrungen christlicher Wüstenväter und zur Lehre des hl. Johannes vom Kreuz. Auch wenn er die meiste Zeit seines Lebens im Kloster verbrachte, so war es doch sein großes Anliegen, Kontemplation als Lebensstil für alle aufzuzeigen. Stille und verantwortliches Handeln, so Merton, gehören zusammen. So war er für viele Friedensaktivisten seiner Zeit eine moralische Stütze. Als einer der ersten Katholiken in den Vereinigten Staaten protestierte er gegen die in seinen Augen unmenschliche Vietnampolitik. Wie P. Lassalle beklagte er den Niedergang von Werten in der westlichen Welt und erwartete von der Begegnung zwischen Christentum und den Religionen des Ostens eine gegenseitige Befruchtung, eine Verstärkung des Friedenswillens, ein gegenseitiges Erwecken der jeweils eigenen höchsten Güter.

merton3P. Lassalle wusste sich in vielem eines Sinnes mit Merton. Er begegnete ihm persönlich nur am letzten Tag von Mertons Leben, als beide in Bangkok an einer interreligiösen Tagung von Mönchen teilnahmen. Merton hatte sich durch die Reise den Wunsch erfüllt, einmal persönlich den Osten kennen zu lernen und dort spirituellen Wahrheitssuchern verschiedener Religionen zu begegnen. Am Nachmittag nach seinem Vortrag verstarb er, nur 53jährig, wohl infolge eines Stromschlages im Hotelzimmer. Mit vielen anderen, die über seinen plötzlichen Tod betroffen waren, hielt P. Lassalle Nachtwache, bis Mitarbeiter der amerikanischen Botschaft kamen, um den Leichnam zu überführen – so schreibt Ursula Baatz in ihrer Lassalle-Biografie. Frucht seines Todes ist es wohl, dass in Bangkok das erste christliche Kloster in Thailand entstand; Lassalle hat zudem immer wieder im Kloster Mertons in den USA Vorträge über Zen gehalten.

Sesshin ohne Ende – das lässt sich ganz im Sinne Mertons in großen Lettern über das Leben aus der Mitte schreiben.
Die Zeit der Stille verleiht Sensibilität und Kraft: Empfänglichkeit für die kleinen Wunder jeden Tages; Entschiedenheit für anstehende Fragen und Engagements; liebevolle Gelassenheit zum Tragen und Mittragen; leidenschaftliche Entschlossenheit auch zum notwendigen Widerspruch. Dass vor einer solchen motivierenden Kraft auch monströse Mauern weich werden, das haben zu Recht Hunderttausende vor wenigen Tagen in Berlin gefeiert!

P. Paul

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Fotos: Inge Hausen-Müller

P. Paul Rheinbay folgt P. Johannes Kopp

Es war eine Begegnung, in der sich in vielfacher Weise ausdrückte, worum es im Programm geht: Menschsein, Leben, Tiefe. Die Atmosphäre war erfüllt, so das Echo von vielen. An die 100 Gäste waren gekommen, neben Teilnehmern und Teilgebern des Programms auch Verantwortliche des Bistums Essen und der pallottinischen Gemeinschaft. Es war kein Abschied, vielmehr schmeckte es nach Zukunft: P. Johannes sprach in seinem Schlusswort nach dem Festakt davon, er fühle... Artikel ansehen

Frieden bewirken

100 Jahre Gedenken an den ersten Weltkrieg. Aktuelle Konflikte nicht nur in der Ukraine, in Israel – Palästina – Syrien, an vielen ungenannten Orten. Dramatische Ausbreitung der Ebola Epidemie in Afrika. Das alles macht Angst und lässt Hilflosigkeit zurück. Gerät unsere Welt aus den Fugen? Sind wir überfordert, mit den Herausforderungen einer globalisierten Welt umzugehen? Liegen die Ursachen bei einzelnen Menschen, die ihre eigene, oft verkorkste Lebensgeschichte hinter der Fassade... Artikel ansehen